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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Kloeble
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los.
    »Ich glaube«, fuhr Julius fort, »dass sie das Waisenhaus aus schlechtem Gewissen gegründet hat. So funktioniert nämlich unsere Schwester Alfonsa. Außen eine Statue, innen ein emotionaler Wirbelsturm.« Er drehte den Kopf zu ihr. »Wie nanntest du den Jungen doch gleich?« Mit der Hand fuhr er sich übers Gesicht.
    »Albert«, sagte Albert.
    »Albert, richtig. Darauf wäre ich auch allein gekommen.« Julius betätigte einen Schalter und fuhr die Rückenlehne desBettes in die Senkrechte. Die Unterhaltung schenkte ihm offenbar Kraft. »Du kennst ihn?«
    »Ein bisschen«, sagte Albert.
    »Wie geht es ihm?«
    »Er lebt in Königsdorf. Sind Sie ihm je begegnet?«
    »Wem, Albert? Nie! Aber das macht nichts. Er war ja nur eins von vielen«, sagte Julius und schmatzte. »Kindern, meine ich.«
    »Wie viele hatten Sie?«
    »Fünf? Acht? Zwölf? Wer weiß das schon so genau.«
    »Haben Sie noch Kontakt?«
    Darauf gab er keine Antwort.
    »Albert hat dich geschickt?«, sagte Julius schließlich, weniger eine Frage als eine Feststellung.
    Bevor Albert antworten konnte, öffnete sich die Tür und Fred trat ins Zimmer.
    Alfonsa erhob sich.
    Albert sagte: »Was machst du hier? Wie hast du uns gefunden?«
    »Eine Frau hat mich geweckt. Sie hat gefragt, warum ich hier bin. Ich hab ihr gesagt, dass ich mit dir und Schwester Alfonsa   –« Er verstummte. Das Lächeln wich aus seinem Gesicht.
    »Fred?« Julius räusperte sich. »Fred, bist du das?«
    Doch Fred schien ihn nicht zu hören. Er schob Albert zur Seite, streckte den Arm aus und berührte das gerahmte Foto; er flüsterte: »Segendorf.«
    Julius setzte sich im Bett auf. Alfonsa wollte eine Hand auf seine Schulter legen   – er schlug sie weg. »Was macht er hier?«, fuhr er sie an. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich das nicht will!«
    Fred drehte sich zu ihm um und sagte beiläufig, als käme er täglich zu Besuch: »Hallo, Julius.«
    Julius erstarrte. »Fred.«
    »Ich habe nur noch weniger als zwei Finger, Julius.«
    »Hab davon gehört.«
    Fred betrachtete Julius. »Du hast auch nicht mehr viele Finger, oder?«
    »Mag sein.« Erneut langte Julius nach seinem Ellbogen und ließ sich diesmal nicht von Alfonsa abhalten, daran zu kratzen. »Ihr solltet jetzt gehen.«
    »Noch nicht«, sagte Albert.
    Und Fred sagte: »Ich hab Hunger, Albert!«
    Für ein paar Sekunden, lange Sekunden, sagte niemand mehr etwas.
    Als Erste rührte sich Alfonsa. »Schauen wir mal in die Kantine«, schlug sie Fred vor und drängte ihn aus dem Zimmer.
    Albert sah ihnen nach.
    Die Tür fiel zu und sperrte das Licht aus.
    »Was denn noch?«, fragte Julius.
    »Das wissen Sie.«
    »Frag Alfonsa.«
    »Ich frage Sie.«
    »Du willst das gar nicht hören.«
    »Sie kennen mich nicht«, sagte Albert, der allmählich die Geduld verlor. »Sie haben keine Ahnung, wer ich bin und was ich will.«
    Julius atmete aufgebracht.
    Dann nickte er. »Bringen wir’s hinter uns.« Er deutete auf die Stelle neben dem Bett, wo der Hocker stand.
    Albert kam näher, nahm aber nicht Platz.
    Julius hielt ihm seine von Altersflecken übersäte Hand hin.Sie zitterte nicht. »Es hilft ihm, wenn du ihn berührst, während du mit ihm sprichst.«
    Albert konnte sich nicht dazu durchringen. Da packte Julius seinen Arm. Albert versuchte, sich zu befreien, doch Julius’ Griff wurde nur fester. »Ich war dagegen, dass sie dich herbringt. Ich wollte immer, dass das hier ein Ort bleibt, der nichts mit früher zu tun hat. Ein Ort der Gegenwart, der mich an nichts erinnert, vor allem nicht an Anni. Damit ich vergessen kann.« Julius ließ los. »Aber ich kann nicht vergessen.« Er schloss seine Augen und schmatzte mehrmals und deutete mit dem Zeigefinger exakt auf das Foto. »Ich vergesse nichts.«
    Albert betrachtete sein Gesicht genauer. Dieser Mann ist mein Vater, dachte er und wünschte sich, dabei etwas anderes zu empfinden als Irritation und Widerwillen.
    »Wann haben Sie Anni das letzte Mal gesehen?«, fragte Albert und wollte den Satz sofort umformulieren.
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Ich dachte, Sie vergessen nichts.«
    »Lange bevor sie starb«, sagte Julius schnell.
    »Sie waren nicht auf ihrer Beerdigung? Hatten Sie kein enges Verhältnis zu ihr?«
    »Nein. Nein, nein.«
    »Auch nicht früher?«
    Julius überging seine Frage. »Alfonsa und ich waren uns einig, dass du bei ihr besser aufgehoben wärst.«
    Anni hatte sich immer einen gesunden Sohn gewünscht, einen Liebsten Besitz, erklärte er, und sie hätte ihn
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