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Meineid

Meineid

Titel: Meineid
Autoren: Petra Hammesfahr
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mir der Blick, mit dem meine Mutter uns nachschaute, wenn wir hinauf in meine Wohnung gingen, wissend und zufrieden. Aber das mochte täuschen, es konnte ebenso gut Wunschdenken sein. Wer Greta kannte wie Tess, war der festen Überzeugung, dass ich von ihr nicht einmal mehr den kleinen Finger bekäme. Und wie Greta gesagt hatte, wenn sich zwei Kollegen häufig am Abend zusammensetzen, wer will ihnen beweisen, dass sie nicht an einem wichtigen Fall arbeiten? Wir hatten viele wichtige Fälle. Unser Klientenstamm bestand zum größten Teil aus mittelständischen Betrieben, die sich keinen Firmenanwalt leisten wollten. Doch während unserer Studienzeit war es Greta gelungen, mich ebenfalls zum Strafrecht zu überreden. Ich hatte ein Jahr mehr an der Universität in Kauf genommen und meinen Vater überzeugt, dass jeder Mensch ein Hobby brauchte. Vater schätzte es nicht, wenn einer unserer Hobbymandanten persönlich auftauchte. Aber er drückte beide Augen zu, solange wir darüber nicht die Arbeit vergaßen, die er uns zuteilte. So wurde das Strafrecht meist in die Abendstunden verlegt. An unzähligen Abenden haben wir zusammengesessen, die oftmals dürftigen Ermittlungsunterlagen durchgesehen und die Strategien beider Seiten besprochen. Greta arbeitete sich hoch, vom Taschendieb zu bewaffnetem Raubüberfall und Totschlag. Ich war nie mit ihrem Engagement bei der Sache, konnte mich nicht begeistern für Menschen, die sich über die Rechte anderer hinwegsetzten und nach Hilfe schrien, wenn sie gefasst worden waren. Den wahrhaft Unschuldigen, für den sich jeder Einsatz lohnt, findet man selten in Untersuchungshaft. So benutzte Greta mich häufig nur als juristischen Berater, weil es nicht schaden konnte, eine zweite Meinung zu hören. Da meine Einstellung meist identisch war mit der des Staatsanwalts, trainierte sie mit mir ihren Auftritt. In solchen Situationen war sie unwiderstehlich. Ich war ihr Feind und sie kämpfte. Anschließend gab es ein wenig Entspannung. So bezeichnete sie es. Und sobald ich auch nur den Anschein erweckte, ich könne noch einmal das Wort Hochzeit in den Mund nehmen wollen, blockte sie ab. Da war es irgendwann Tess, die ein gutes Wort für mich einlegte. Tess hatte wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass eine Versöhnung auf beruflicher Ebene stattgefunden hatte. Und da Greta ihr stets suggerierte, der Beruf sei ihr Leben, legte sich Tess’ abweisende Haltung mir gegenüber. Wir kamen uns näher mit den Jahren, so nahe, dass sich zwischen uns etwas entwickelte, was entschieden mehr war als Freundschaft. Es war Kameradschaft, fast eine Art Geschwisterliebe. Als Mann war ich für Tess inakzeptabel, daraus machte sie keinen Hehl.
    «Sei mir nicht böse, Niklas. Ich mag dich wirklich. Du bist ein netter Kerl, aber das reicht mir nicht.»
    Tess sah die Lage entschieden anders als Greta. Für sie ergaben zwei Juristen ein vortreffliches Gespann. Der Vorschlag, Greta aus der Reserve zu locken, kam von ihr.
    «Verzeihen war noch nie Gretas Stärke. Aber gleichgültig bist du ihr nicht, Niklas. Eifersucht ist ein profanes und sehr wirksames Mittel. Manchmal begreift man erst, was man hätte haben können, wenn es endgültig verloren ist. Also, versuchen wir es.»
    Tess war mit einem verheirateten Mann liiert, als sie diesen Vorschlag machte. Am Wochenende hatte sie Zeit und Langeweile. Leider verfehlte das wirksame Mittel bei Greta den Zweck. Sie wusste natürlich von der Affäre ihrer Freundin. Und es störte sie gewaltig, wenn ich erklärte, dass ich am Samstag mit Tess in die Oper oder ins Theater und am Sonntag mit ihr in ein Restaurant wollte. Aber Greta fürchtete nur, dass ich ausgenutzt und verletzt würde. Das hatte ich ihrer Ansicht nach nicht verdient. Ich sah in ihren Befürchtungen und der Art und Weise, wie sie versuchte, mir die Augen zu öffnen und mich vor einer herben Enttäuschung zu bewahren, ein gutes Zeichen. Ich hoffte auch, sie irgendwann davon zu überzeugen, dass ich aufrichtig bedauerte, was ich ihr angetan hatte, und dass ich alles tun wollte, es sie vergessen zu lassen. Vielleicht hätte ich es irgendwann tatsächlich geschafft. Immerhin waren wir inzwischen seit fast fünf Jahren ein Paar, wenn auch nicht offiziell, weil sich das nicht mit Gretas Stolz vereinbarte. Aber vielleicht hätte sie ihren Stolz irgendwann begraben und mir doch noch verziehen, wäre nicht Jan aufgetaucht. Jan Tinner! Der vierte in unserem unseligen Bund. Er war Gretas Nachbar – achtzehn Monate
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