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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Autoren: Jan Weiler
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Schlimmste. Dieser hat schließlich schon vor Stunden den Wein geöffnet – und dann den halben Nachmittag nach einem passenden Dekanter gesucht.
    Die Königin von England hat bestimmt ein eigenes Zimmer für ihre vielen, vielen Dekanter.

Butter bei die Würmer
    Hammernachricht des Tages: Skandinavische Wissenschaftler haben vor der schwedischen Küste in hundertfünfundzwanzig Metern Tiefe neue Wurmarten entdeckt! Meine Bewunderung für derartige Forscherleistungen ist enorm. Man fragt sich zwar, wofür man so dringend wissen muss, dass einige dieser Würmer zu den sogenannten Krypto-Spezies gehören, die zwar von außen identisch aussehen, sich aber wenigstens in ihrem Inneren unterscheiden. Aber man soll derartige Informationen nicht bewerten, sondern atemlos begeistert entgegennehmen. Hauptsache, es gibt noch Menschen, die in hundertfünfundzwanzig Metern Tiefe nach Würmchen suchen. Wie machen die das bloß? Sie genießen meinen größten Respekt, denn mir gelingt es nicht einmal, hinter der Couch in vierzig Zentimetern Tiefe meine Fernbedienung zu entdecken. Die brauche ich aber dringend, weil ich immer umschalten muss.
    Ich bin ein leidenschaftlicher Umschalter. Wenn es einem Programm nicht binnen weniger Sekunden gelingt, mich von sich zu überzeugen, bin ich weg, zack, mit basisdemokratischer Konsequenz. Ich bin übrigens der von mir selbst durch wissenschaftliche Versuchsanordnungen erwiesenen Überzeugung, dass Männer besser zappen können als Frauen. Sara zum Beispiel braucht zu lange, um zu erkennen, dass eine Sendung langweilig, trist, öde, schon gesehen oder auf zermürbende Art ästhetisch inakzeptabel ist. Deswegen gebe ich die Fernbedienung niemals her, ich halte sie fest umklammert wie ein Nachkriegsopa die Butterdose.
    In den fünfziger Jahren wurde Butter noch wertgeschätzt und rationiert. Und noch vor knapp dreißig Jahren antwortete der Spitzenkoch Paul Bocuse auf die Frage nach den drei wichtigsten Zutaten der feinen Küche: «Butter. Butter. Und Butter.» Heute muss man sich rechtfertigen, wenn man erst Butter und dann noch Nutella aufs Brot schmiert. Fett hat leider eine dramatisch schwindende Lobby. Damit geht es der Butter wie der Wahrheit. Letztere wird zwar genauso dringend gebraucht, aber viele würden am liebsten auf sie verzichten, besonders in der Politik.
    Ausnahme: Peer Steinbrück, der erstens aussieht, als äße er sehr gerne Butter, und sich zweitens als Bundesfinanzminister geradezu als Wahrheits-Aficionado hervortat, indem er stets verkündete, nicht den Doofmann spielen zu wollen und daher keine falschen Versprechen zu machen. Die Zeiten seien hart und schwer und würden vermutlich noch härter und noch schwerer, rief er einmal. Auf die Journalistenfrage, wie er sich die Popularität seines im Wahlkampf vor Agilität berstenden Kollegen zu Guttenberg erkläre, antwortete Steinbrück mit traurigem Gesicht: «Er sieht einfach besser aus.» Das stimmt und belegt die alte These, nach welcher die äußere angenehme Form dem wertvollen Inhalt stets überlegen ist, wovon die gerade entdeckten Meereswürmer ein Lied singen können.
    Ich lade Herrn Steinbrück hiermit zu mir nach Hause ein. Es stehen Taschengeldverhandlungen an, und da könnte ich ihn gut gebrauchen. Meine Kinder wollen immer mehr Geld, Geld, Geld. Sie argumentieren lafontainesk mit tief klaffenden Einkommensunterschieden innerhalb unseres Familienverbundes und beschimpfen mich als Bonzen, der sich prinzipiell alles leisten könne und sie hemmungslos für diese Kolumne ausbeute. Das Argument, dass meine Arbeit letztlich dazu diene, später einmal ihre versifften Studentenbuden in Freiburg oder Göttingen zu bezahlen, lassen sie nicht gelten. Sie wisse ja noch gar nicht, ob sie überhaupt studieren wolle, drohte Carla jüngst. Da könne ich ihr das Geld ebenso gut schon jetzt aushändigen, gerne auch ratenweise in Gestalt eines drastisch erhöhten Taschengeldes. Ich brachte nur ein höhnisches Lachen zustande und einen Hinweis auf den kleinen Vogel, der offenbar hinter ihrer Stirnplatte wohne. So richtig diplomatisch war das nicht. Manchmal fehlen mir die Worte. Ich wünschte dann, ich hätte solche Sorgen nicht und lebte als Wurm in schwedischen Gewässern. Ich knabberte den ganzen Tag an Walbäuchen herum, an fettigen, buttrigen Walbäuchen.

Das Sessel-Schicksal
    Als Sara und ich gerade ein paar Monate zusammen waren, das ist nun sechzehn Jahre her, fassten wir den Beschluss, es mit einer gemeinsamen Wohnung zu
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