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Mein Herz springt (German Edition)

Mein Herz springt (German Edition)

Titel: Mein Herz springt (German Edition)
Autoren: Susan Bauer
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ergründen beziehungsweise zu lösen. Darüber wunderte ich mich. Meine Geschichte war doch eigentlich so einfach.
    In der Zeit, als ich mehr oder weniger auf der Suche nach mir selbst war, erinnerte ich mich an einen Freund aus Jugendzeiten. Tobi hatte zusammen mit mir Abitur gemacht. Danach trennten sich unsere Wege. Während ich Medizin in Köln studierte, machte Tobi eine längere Reise nach Indien. Als er zurück nach Deutschland kam, entschied er sich für das Studium der Theologie. Danach trat er ins Kloster ein und wurde ein paar Jahre später zum Priester geweiht. Pater Jonathan war sein neuer Name.
    Ich musste bestürzt gewirkt haben, als Tobi mir damals von seinen ungewöhnlichen Lebensplänen berichtete. Ich konnte es kaum glauben. Tobi war für mich ein ganz normaler junger Mann, der in der Schule überaus gut bei den Mitschülerinnen ankam. Zudem hatte er immer exzellente Noten in sämtlichen Schulfächern. Er absolvierte sein Abitur mit der Note 1,1. Ihm stand die Welt offen. Für mich war klar, dass er eine erfolgreiche Berufslaufbahn vor sich hatte. Mit einer attraktiven Frau und drei bis vier Kindern an seiner Seite. Die Nachricht über seine Entscheidung hat mich entsprechend überrascht. Ich hatte das Gefühl, einen guten Freund verloren zu haben. Dabei hatte sichTobi lediglich für einen Lebensweg entschieden, der jenseits meiner Vorstellungen war.
    Lange Zeit war ich mit dieser Situation überfordert. Unser Kontakt löste sich immer mehr. Es dauerte viele Jahre, bis ich den Mut fand, zu fragen, was Tobi zu diesem Schritt bewogen hatte. Seine Antwort war simpel: In Indien hätte er seine Spiritualität entdeckt. Er hätte in der Religion, der Liebe zu Gott etwas entdeckt, das er nie zuvor erfahren hatte. Er hatte plötzlich das Gefühl, angekommen zu sein – seinen Platz in der Welt gefunden zu haben. Ich hatte großen Respekt vor Jonathans Offenheit und seiner geradlinigen Entscheidung, zu der es keine Alternativen zu geben schien. Meine Berührungsängste lösten sich in diesem Moment in Luft auf.
    ***
    Auf einmal fragte ich mich, weshalb ich nicht früher auf die Idee gekommen war, Jonathan um Rat zu bitten. Und ich konnte mir meine Frage schnell selbst beantworten: Was würde ein katholischer Priester zu meiner Situation sagen? Es ist laut deren Glaubensregeln eindeutig Sünde, das Eheversprechen zu brechen. Würde er mich für meine Gefühle hassen? Würde er unsere Freundschaft aus Treue zu seinem Glauben einstellen müssen? Was durfte ich von ihm als Mensch, als Priester, als meinem Freund erwarten? Wie viel durfte ich ihm zumuten?
    Ich entschied mich, meine Situation erst einmal per E-Mail darzustellen. Dann konnte Jonathan entscheiden, wie er damit umgehen wollte.
    Ich fasste mich entsprechend kurz: »Lieber Jonathan, mein Leben steht Kopf. Es liegt an einem anderen Mann. Ich weiß nicht, wie ich wieder zur ›Normalität‹ zurückfinden soll. Aber genau das will ich. Ich brauche Deinen Rat. Liebe Grüße, Betty.«
    Die Antwort Jonathans ließ ein paar Tage auf sich warten. Ich wurde nervös. Hatte ich ihn mit meinen Gedanken tatsächlich überfordert? Oder überprüfte er aufgrund von seelsorgerischen Pflichten nur unregelmäßig seinen E-Mail-Account? Ich wartete und wartete. Setzte meine letzte Hoffnung auf diesen alten Freund.
    Fünf Tage später fand ich eine Nachricht in meinem Postfach. Meine Finger zitterten, als ich die Mail öffnete.
    »Liebe Betty, danke für Deine vertrauensvolle Nachricht. Sicherlich gibt es nur wenige Menschen, denen Du diese Gedanken anvertraust. Ich weiß das sehr zu schätzen. Ebenso kann ich Deine Gefühle, auch wenn sie nur kurz umrissen dargestellt sind, nachempfinden. Nicht nur, weil ich aus meiner seelsorgerischen Tätigkeit regelmäßig damit konfrontiert bin, sondern auch, weil ich selbst eine ähnliche Unordnung in meinem Kopf empfunden habe. Ich kann Dir nur raten, den Weg zu gehen, den Du für den richtigen hältst – mit Herz und Verstand. Den Schmerz, der sich aus dem Sich-Zurückziehen aus einem Stück des Lebens, das einen fundamental berührt hat, ergibt, darfst Du nicht unterdrücken. Lass ihn zu. Er ist Teil Deines Lebens. Und wird niemals vergehen. Er wird aber schwächer werden und mehr und mehr einer schönen Erinnerung weichen. Hab den Mut, diese Sehnsucht zuzulassen. Sie führt Dich zur Wurzel Deiner Seele. Sie macht das Leben lebenswert. Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesen Zeilen weiterhelfen. Abschließend sende ich Dir ein
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