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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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sind. Zu der schnell wachsenden Liste zählt neben Mike Rinder übrigens auch Marty Rathbun, dessen Frau Anne allerdings in der Church geblieben ist.
    An dem Tag, als ich den Vertrag für dieses Buch unterschrieb, wurden Dallas’ Eltern zu SP s erklärt, da sie sich weigerten, den Kontakt zu uns abzubrechen. Auch die Geschwister von Dallas sprechen weiter mit uns. Wir mögen sie sehr und treffen uns ständig mit ihnen. Die Eltern von Dallas glauben weiter an Scientology, bedauern jedoch die Verkommenheit innerhalb der Church und bemängeln den Stil ihrer Führung. Aus Sicht der Church sind wir sicherlich SP s, obwohl wir unserem Kenntnisstand nach bis heute nicht dazu deklariert wurden. Wir haben schon seit Jahren nichts mehr von der Church gehört, und sie scheinen ihre Observationen eingestellt zu haben.
    Auch wenn ich jetzt schon eine Weile mein eigenes Leben lebe, kann ich manche Dinge aus der Vergangenheit nur schwer verzeihen. Aus meiner Sicht ist Scientology eine gefährliche Organisation, deren Glaubensvorstellungen es ihr gestatten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und zentrale Menschenrechte zu verletzen. Es bleibt mir ein Rätsel, wie so etwas in unserer heutigen Gesellschaft unbehelligt fortdauern kann. Besonders tückisch wird das Ganze durch die prominenten Fürsprecher und angegliederten Organisationen wie Narconon , Applied Scholastics und der Citizens Commission on Human Rights . Ich finde, die Menschen sollten davor gewarnt werden, was die Church tatsächlich ist, wer ihr Gründer in Wahrheit war, was dort in Wirklichkeit vor sich geht, wie weit sie bereit ist zu gehen und welche Opfer sie zum Erreichen ihrer Ziele gewillt ist, in Kauf zu nehmen. Die Ziele selbst sind umnebelt von Geheimnistuerei und widersprüchlichen Angaben. Scientology ist immer schon ein Spiel der Macht und Kontrolle gewesen. L. Ron Hubbard war ein grandioser Hochstapler, und es fällt schwer zu beurteilen, inwiefern Scientology ein Experiment zur Gehirnwäsche und Menschenkontrolle darstellte oder inwiefern es tatsächlich dazu gedacht war, anderen zu helfen.
    Ich habe zweifellos eine Menge Gründe, meinen Onkel zu hassen, aber ich versuche auch, ihn als das zu sehen, was er einst gewesen ist: ein Kind, das wie so viele andere auf das System hereinfiel und das aufgrund mangelnder Eigenverantwortung und Reife nicht die richtigen Entscheidungen treffen konnte. Als er mit sechzehn in die Sea Org eintrat, steckte er schon zu tief drin. Und so traf er seine Wahl. Ich habe keine Ahnung, was aus ihm geworden wäre, hätte er Scientology nie kennengelernt, oder auch wie stark seine Persönlichkeit letztlich von Scientology geprägt wurde.
    Dennoch bleibt es schwer, das Bild von ihm als Kind mit dem Erwachsenen, der er jetzt ist, in Einklang zu bringen. Viele ehemalige Sea Org-Mitglieder und Scientologen geben rasch Dave, und Dave allein, die Schuld an all ihren Erfahrungen. Ich habe das Gefühl, die Wahrheit ist ein wenig unklarer. Mein Onkel hat wesentlich zur Ausformung der modernen Scientology beigetragen, daran kann kaum ein Zweifel bestehen, aber wer die Schuld allein auf ihm ablädt, verfehlt den entscheidenden Punkt. Das Problem mit Scientology betrifft nicht nur einen Mann, sei es Onkel Dave oder LRH . Es ist größer. Das Problem ist Scientology selbst. Das Problem liegt darin, dass Scientology ein System ist, das eigenständiges Denken nahezu unmöglich macht. Menschen wie mein Onkel helfen das durchzusetzen, indem sie eine Atmosphäre der Angst schaffen, die jedes unabhängige Denken erstickt. Jagt man sie davon, existiert noch immer ein System, das quasi schon seiner Definition nach individuelle Freiheiten einschränkt.
    Wenn wir heute Freunde in Los Angeles besuchen, kommen wir immer an der Base vorbei. Wir sehen die Sea Org-Drohnen in die Gebäude gehen, herauskommen und auf den Bürgersteigen herumlaufen. Sie sind leicht auszumachen an ihren Uniformen und den leeren Blicken. Sie leben in einer anderen Welt. Ihr Anblick versetzt mich unwillkürlich in eine noch nicht allzu lang vergangene Zeit zurück, in der auch ich hier stumpfsinnig von einem Gebäude zum anderen lief. Ich weiß noch, dass diese Gänge zu den wenigen Begegnungen mit der Außenwelt zählten und dass uns – selbst in diesen winzigen Momenten draußen – die Menschen aus den vorbeifahrenden Autos zuriefen, uns hätten sie doch allen eine Gehirnwäsche verpasst.
    Das Wort »Gehirnwäsche« machte uns damals fassungslos. Erschüttert sahen
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