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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val
Autoren: Vatermord
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Schuluniform
getragen. Trotz des trockenen Laubs, das durch Wind und Regen auf der
durchsichtigen Plastiktüte über Gesicht und Haar festklebte, sah sie sauber und
behütet aus. Ihre Mutter hatte sie kurz nach neun als vermisst gemeldet, was
hieß, dass es um eine Tochter ging, die in einem strengeren Elternhaus lebte
als Lily, und um eine Familie, deren Zeitplan geregelter war. Theoretisch war
es möglich, dass dies hier nicht Jennifer Maidment war, da die Leiche gefunden
worden war, bevor die Vermisstenanzeige einging. Und sie hatten hier vor Ort
noch kein Foto des vermissten Mädchens. Aber DI Patterson hielt es für
unwahrscheinlich, dass im Stadtzentrum an einem Abend zwei Mädchen von der
gleichen Schule verschwanden. Höchstens, wenn es einen Zusammenhang zwischen
dem Tod der beiden gäbe. Dieser Tage konnte man ja nichts ausschließen.
    Die Plane an der Zeltöffnung
flog heftig zur Seite, und ein Schrank von einem Mann schob sich herein. Seine
Schultern waren so breit, dass er den größten Schutzanzug, den die Polizei von
West Mercia für ihre Mitarbeiter zur Verfügung stellte, nicht zubekam. Von
seinem kahlen Schädel, der die Farbe starken Tees hatte, rannen Regentropfen in
sein Gesicht, das aussah, als hätte er seine rauhe Jugendzeit größtenteils im
Boxring zugebracht. Er hielt ein Blatt. Papier in einer durchsichtigen
Plastikhülle.
    »Ich bin hier drüben, Alvin«,
rief Patterson, und seine Stimme verriet seine starke Betroffenheit.
    Detective Sergeant Alvin
Ambrose ging zu seinem Chef hinüber. »Jennifer Maidment«, sagte er und hielt
die Hülle mit dem Computerausdruck eines Fotos hoch. »Ist sie das?« Patterson betrachtete
eingehend das ovale Gesicht, das von langem braunem Haar eingerahmt war, und
nickte traurig. »Das ist sie.«
    »Sie ist hübsch«, sagte
Ambrose.
    »Jetzt nicht mehr.« Der Mörder
hatte ihr mit dem Leben auch die Schönheit genommen. Obgleich er sich immer vor
voreiligen Schlüssen hütete, glaubte Patterson, man könne davon ausgehen, dass
die aufgedunsene Haut, die geschwollene Zunge, die hervorquellenden Augen und
die fest haftende Plastiktüte auf einen Tod durch Ersticken hinwiesen. »Die
Tüte war um ihren Hals herum festgeklebt. Schrecklich, so zu sterben.«
    »Ihre Bewegung muss irgendwie
eingeschränkt gewesen sein«, sagte Ambrose. »Sonst hätte sie versucht, sich zu
befreien.«
    »Kein Anzeichen, dass sie
gefesselt war. Wir werden mehr wissen, wenn sie in der Pathologie untersucht
wurde.«
    »Wurde sie sexuell
missbraucht?«
    Patterson konnte ein Schaudern
nicht unterdrücken. »Er hat sie mit einem Messer traktiert. Zuerst haben wir es
gar nicht gesehen. Ihr Rock hat es verdeckt. Dann schaute der Arzt es sich an.«
Er schloss die Augen und gab dem Drang nach einem schweigenden Stoßgebet nach.
»Der Scheißkerl hat sie verstümmelt. Ich weiß nicht, ob ich es unbedingt einen
sexuellen Übergriff nennen würde. Eher eine komplette Vernichtung der
Sexualorgane.« Er wandte sich ab und schritt zum Ausgang. Beim Vergleich von
Jennifer Maidments Leiche mit anderen, deren Tod er untersucht hatte, wählte er
seine Worte mit Bedacht. »Das Schlimmste, was ich je gesehen habe.« Draußen vor
dem Zelt herrschte scheußliches Wetter. Aus dem stürmischen Regenschauer vom
Nachmittag war ein richtiges Unwetter geworden. Die Einwohner von Worcester hatten
gelernt, in solchen Nächten das Ansteigen des Severn zu fürchten. Sie
erwarteten Hochwasser, nicht Mord. Die Leiche war auf dem Seitenstreifen einer
Parkbucht gefunden worden, die ein paar Jahre zuvor bei der Begradigung der
Straße angelegt worden war. Die alte, enge Kurve hatte eine neue Funktion
bekommen als Haltepunkt für Lkw-Fahrer, die von der Imbissbude angezogen
wurden, an der es tagsüber kleine Mahlzeiten gab. Während der Nacht diente er
als in offizieller
Lkw-Parkplatz; gewöhnlich standen vier oder fünf Fahrzeuge da, deren Fahrern es
nichts ausmachte, in der Kabine zu übernachten, um ein paar Pfund zu sparen.
Der holländische Trucker, der zum Pinkeln aus seiner Kabine gestiegen war,
hatte etwas ganz anderes gefunden als das, was er erwartet hatte.
    Die Parkbucht war von der
Straße durch dichtes Gestrüpp aus großen Bäumen und undurchdringlichem
Unterholz getrennt. Der Wind heulte in den Bäumen, und Ambrose und Patterson wurden
durchnässt, als sie zu ihrem Volvo zurückliefen. Kaum saßen sie im Wagen,
zählte Patterson schon an den Fingern ab, was zu tun war. »Nimm Kontakt mit der
Verkehrspolizei
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