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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck
Autoren: Ulrike Herwig
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Mafia, die sich am Straßenrand eines Mordopfers entledigten. Nicht unbedingt etwas, wobei sie beobachtet werden wollte. Sie schob gemeinsam mit Mark, während Bernd rückwärts Richtung Abhang lief und zog.
    »Noch ’n Stück«, keuchte Bernd.
    Karen rang ebenfalls nach Luft. Gleich war das Reh weg von der Straße. Da hörte sie ein leises Knirschen und sah, wie Bernd nach unten sackte. Er wirkte verwundert, fast gekränkt. Im nächsten Moment war er verschwunden. Eine Zehntelsekunde später tauchte sein Kopf wieder auf, gefolgt von seiner Hand, die sich in ein trockenes Grasbüschel krallte. »Au!«, brüllte er. Erschrocken ließen Mark und Karen das Reh los, es drehte sich, und Karen beobachtete entsetzt, wie das Tier nach unten rutschte. Der braune, blutverkrustete Kopf mit den halboffenen Augen näherte sich ihrem Mann, das Rehmaul kam rasch auf ihn zu, um dann liebkosend, wie zu einem letzten Gruß, Bernds Wange zu berühren. Er stieß den Kopf weg.
    »Karen!«, krächzte er, da packte Mark ihn schon am rechten Arm. Bernd heulte auf.
    Verzweifelt machte Karen einen Schritt nach vorn. »Das ist doch der verstauchte Arm, Mark«, rief sie.
    Das Reh stupste Bernd noch einmal freundschaftlich an und glitt dann ganz ohne Eile den kleinen Hang hinunter, um mit einem Plumps in den Büschen zu landen. Mit geradezu beleidigender Leichtigkeit zog Mark seinen Vater hoch.
    »Mensch, Dad!« Mark schüttelte den Kopf. »Was machst du denn nur?« Er grinste. »Schade, dass ich das nicht gefilmt habe.«
    »Mark, ich bitte dich«, sagte Karen. Sie stand immer noch leicht unter Schock. Alles war so schnell gegangen.
    Bernd wischte sich mit der gesunden Hand hektisch über das Gesicht. »Ist da was?«, fragte er. »Karen, ist da was an meiner Wange?«
    Aber Karen ignorierte ihn, ignorierte auch Mark, der mit dem Rücken zur Straße neben seinem Vater stand und interessiert den Hang hinunterblickte. Reh, Bernd, Mark, alles völlig egal, völlig irrelevant, verglichen mit dem, was sich gerade hinter den beiden abspielte. Der Van. Er rollte. Rollte zügig die Landstraße hinunter.
    Mit einer seltsam gekrümmten Person am Steuer. Tante Martha.

4 »Du solltest dich bei Martha bedanken.« Karen flüsterte. Martha musste sie nicht unbedingt hören. Sie spielte zwar gerade mit Teresa Himmel und Hölle mit diesem Faltding, das sie ihr gebastelt hatte, aber Karen traute der alten Dame seit dem Rehmord alles zu. Auch ein übermenschlich scharfes Gehör. »Immerhin hat sie das Auto zum Stehen gebracht. Nachdem es davongerollt ist, weil du die Handbremse nicht angezogen hattest!«
    Bernd nickte schwach. Er wischte sich erneut mit einem von Marthas Erfrischungstüchern über Mund und Wange. Die Haut unter der Nase war schon ganz rot gescheuert.
    »Lass doch bitte mal die Rubbelei.« Karen hielt mit der linken Hand das Steuer fest und nahm ihm mit der rechten das schmuddelige Tuch aus der Hand. Er sah unmöglich aus, wie jemand, dem schon seit zwei Jahren die Nase lief.
    »Das war großartig von dir, Martha«, sagte sie dann nach hinten. »Ich möchte gar nicht daran denken, was alles hätte passieren können.«
    »Na ja, ich werde ja wohl noch wissen, wie man ein Auto zum Stehen bringt.« Tante Martha beugte sich vor. »Bin früher schließlich auch Auto gefahren.«
    »Ach«, sagte Karen. »Na so was.« Sie versuchte, sich ihre Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Natürlich war Martha früher Auto gefahren, warum denn auch nicht? Weil du es Martha nicht zugetraut hast? Blödsinn. Sie selbst würde definitiv bis ins hohe Alter Auto fahren, andere alte Damen fuhren ja auch noch, zum Beispiel … gerade fiel ihr niemand ein, aber das hatte absolut nichts zu bedeuten. Halt! Die achtzigjährige Schwiegermutter von Bettinas Freundin wohnte in Florida und fuhr ein Cabriolet. Na bitte. Das ist Amerika. Da fahren sogar Schulkinder und wahrscheinlich auch Primaten Auto. »Bist ja noch gut in Übung«, sagte sie laut.
    »Sag ich doch. Wenn ihr mal eine Fahrpause braucht, müsst ihr nur den Mund aufmachen. Wollen wir mal in die Zukunft gucken?« Martha nahm Teresa das gefaltete Papier aus der Hand und stülpte es über ihre Finger. »Wird Tante Martha auf dieser Reise ans Steuer dürfen? Sag eine Zahl.«
    »Drei«, rief Teresa.
    »Eins, zwei, drei«, zählte Martha. Sie klappte die gefaltete Ecke auf und las vor: »Auf jeden Fall.«
    Karen holte tief Luft und sah kurz zu Bernd rüber. Der hatte, wie es aussah, gar nichts mitbekommen. Sein Blick war
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