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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow
Autoren: Maria Beaumont
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ganzen Jünger? Hat wohl nicht viel für Frauen übrig gehabt, wie? Und nehmen wir mal an, es stellt sich heraus, dass Jesus tatsächlich schwul war, würde das dann nicht ein völlig neues Licht auf seine Botschaften über Toleranz und Nächstenliebe werfen? Nein, ich finde, es wird zu viel Unsinn verbreitet über Menschen wie deinen Freund, Amy. Soll er doch machen, ich wünsch ihm viel Glück dabei. Das ist meine Devise. Deswegen rege ich mich ja auch so sehr über die Reaktion von eurer Mutter auf.«
    Ich werfe einen Blick zu Lisa. Versteht sie auch nur noch Bahnhof wie ich?
    »Ihre einzige Sorge ist, aus der Partei ausgeschlossen zu werden«, redet Dad weiter, »und es ärgert mich, dass sie so gehässig sein kann. Das werde ich ihr auch persönlich sagen, sobald sie wieder auf den Beinen ist.«
    Das will er ihr persönlich sagen? Er will tatsächlich eine Meinung bekunden, die ihr, wie er genau weiß, ganz und gar nicht gefallen wird? Derselbe Mann, der seiner Frau Tag für Tag versichert, dass eine Mindestgarzeit von 45 Minuten exakt dem entspricht, wie er sein Gemüse am liebsten isst, obwohl seine Würgegeräusche beim Essen das genaue Gegenteil beweisen?! Ich traue meinen Ohren nicht Aber vielleicht ist es ihm ja ernst mit der Ankündigung. Immerhin hat er bereits zugegeben, dass ihm diese blöde Kuh , Ann Robinson, auf den Wecker fällt , was auf Mums persönlicher Sündenskala noch über der Behauptung steht, Jesus sei schwul gewesen.
    Ich muss grinsen. Jedenfalls innerlich. Dads Verhalten wirkt auf mein Selbstvertrauen wie eine Droge. Immerhin muss er mit Mum zusammenleben, und wenn er sich schließlich dazu durchgerungen hat, sich zu erheben und mit der Faust auf den Tisch zu hauen, dann kann ich das auch. Ich werde ihr alles beichten. Und ich fange sofort damit an: bei Dad.
    Weil ich weiß, dass er dafür Verständnis haben wird.
    Mensch, nach allem, was ich in den letzten Minuten zu hören bekommen habe, wird er es womöglich sogar zu schätzen wissen.
    »Dad, da gibt es noch etwas über Ant«, sage ich.
    »Was denn nun schon wieder? Trägt er etwa tatsächlich Spitzenrüschen unter der Soutane?«
    »Tja, das wäre gut möglich ... wenn er eine tragen würde. Er ist gar kein Priester.«
    »Teufel noch mal«, entfährt es ihm, und ein paar Kekskrümel fallen aus seinem Mund. »Erzähl das unter keinen Umständen deiner Mutter ...«
    Oh, mein neuer, rebellischer Vater war lediglich ein Strohfeuer - das just in diesem Moment wieder erloschen ist.
    »... Ich kümmere mich selbst darum, sobald sie wieder auf den Bei...«
    Er wird von dem Geräusch der Tür unterbrochen, die in diesem Augenblick geöffnet wird.
    »Worum kümmerst du dich selbst, sobald ich wieder auf den Beinen bin, Brian?«, fragt meine Mutter, die leider ganz offensichtlich wieder auf den Beinen ist.
    »Ach, nichts von Bedeutung, Liebling«, schwindelt Dad, während er aufspringt und ihr entgegenstürzt. »Du solltest eigentlich das Bett nicht verlassen. Der Arzt hat gesagt...«
    »Was kümmert mich der Arzt«, fährt sie ihn an, während er ihr zu Hilfe kommt. »Warum hast du überhaupt zugelassen, dass er mir die ganzen Drogen verabreicht hat? Schließlich kennst du meine Meinung dazu«, sagt sie vorwurfsvoll und wirft offenbar leichte Beruhigungsmittel in einen Topf mit Crack und Heroin.
    Ich sehe zu, wie Dad sie zu dem anderen Sessel führt. Die nackten Beine unter ihrem Morgenmantel machen einen wackligen Eindruck. Ganz im Gegensatz zu ihrem Verstand, der alles andere als mitgenommen wirkt - und der gegen Beruhigungsmittel resistent zu sein scheint.
    »Möchtest du einen Tee?«, fragt Dad unterwürfig, weil er die Möglichkeit erkannt hat, sich in die Küche zu verdrücken.
    »Danke, nein«, entgegnet sie. »Ich möchte mich gern mit Amy unterhalten.«
    Sie wirft mir einen bohrenden Blick zu, den gleichen wie damals, als ich neun war und von der Schule nach Hause geschickt wurde, weil ich Belinda Perry so heftig am Pferdeschwanz gezogen hatte, dass sie ihre Zahnspange verschluckte. Ich kauere mich auf dem Sofa zusammen, während Dad dasselbe in seinem Sessel macht. Wie enttäuschend es auch sein mag, dass er sich in null Komma nichts wieder in ... tja... den alten Dad zurückverwandelt hat, kenne ich dennoch den Grund für seinen schnellen Rückzieher. Es war ja so einfach, sich alles von der Seele zu reden, solange sie noch oben im Koma lag.
    »Sag mir jetzt die Wahrheit, Amy«, spricht meine Mutter weiter. »Wie lange hast du es
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