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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues
Autoren: Don Winslow
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mir zu schmusen, möchte ich
wissen, daß du auch Stehvermögen hast!«
    »Ich werde dir zeigen, was Stehvermögen ist!« brüllte er und rannte
hinter ihr her.
    »Leere Versprechungen, nur Versprechungen!«
    Sie stemmte beim Laufen die Arme in die Hüften und brüllte: »Ich liebe
New Yooorrkk! Ich liebe Walter Witherrrs! Ich liebe New Yooorrkk!«
    Seit unserer Rückkehr aus Stockholm hat es nichts gegeben, was ich
nicht geliebt habe, dachte Walter.
    Sie hatte ihre Wohnung im Village behalten, und er hatte sich ein
kleines Apartment in Murray Hill gemietet. Sie lebten getrennt zusammen. Sie
verbrachte manchmal eine Nacht bei ihm oder er bei ihr. Manche Nächte
verbrachten sie getrennt.
    Doch die meisten Abende und Nächte verbrachten sie gemeinsam in
Gesellschaft der Stadt. Er verbrachte den frühen Abend oft damit, daß er
irgendwo essen ging, in The Palm oder Dempsey's oder L'Amerique, um sich dann
am Broadway vielleicht einen Film anzusehen, wonach er in einen der Clubs
ging, in dem Anne sang, um noch ihren letzten Auftritt zu erwischen.
    Sie war seit der Rückkehr immer beschäftigt gewesen, hatte tagsüber in
Jersey Plattenaufnahmen gemacht und war pro Abend zwei- oder dreimal vor den
Spesenrittern in den großen Clubs in Midtown aufgetreten, um dann meist dem
Village zuzustreben oder dem »Downstairs at the Upstairs«, um für die /«-Leute
ihre gesuchten Jazzstücke zu singen. Die Clubbesitzer liebten sie, weil sie
pünktlich und nüchtern erschien und ablieferte, was das Publikum hören wollte.
    Nach ihren Shows war sie eher aufgedreht als müde, so daß sie und
Walter meist in einem der Jazzlokale im Village blieben - The Five Spot, The
Vanguard oder The Blue Note -, um sich einige Jam Sessions von Jazzmusikern
anzuhören, die nach ihren Auftritten hierher kamen, und ein paar Drinks zu sich
zu nehmen. Manchmal durchstreiften sie downtown die Cafes auf ein Gespräch und
ein paar Zigaretten mit Annes linken Freunden.
    Selten waren die Abende, an denen sie einfach nach Hause gingen, ein
paar Platten auf der Hi-Fi-Anlage spielten, eine späte selbstgekochte Mahlzeit
einnahmen oder etwas, was sie vom Chinesen mitgebracht hatten, um sich dann im
Bett zusammenzukuscheln.
    Heute abend aber nicht. Sie hatte ihren freien Abend im Blue Angel,
und sie waren ausgegangen, um die Stadt unsicher zu machen. Erst Dinner im
Club 21, dann zum
Broadway zur Premiere von Comden und Greens A Party, dann
gingen sie tanzen, dann folgte eine Runde von Drinks in der Hälfte aller
Kneipen in Midtown. Sie gingen ins The Living Room, um sich Bobby Short
anzuhören, dann ins Bickford's, dann zum Goldie's New York, um sich Goldie und
Sanders anzuhören, die Rücken an Rücken Klavier spielten. (Goldie's war für
Walter ein magisches Lokal, weil er zufällig an dem Abend dort gewesen war, an
dem Gene Kelly und Fred Astaire an ihrem Tisch ein improvisiertes Tanzduett
hingelegt hatten.)
    Dann sprangen sie in ein Taxi und fuhren zum Duane Hotel an der 37.
Ecke Madison hinunter, wo ein zotiger junger Komiker namens Lenny Bruce mit
seinen Sprüchen Walter ärgerte, Anne aber vor Begeisterung heulen ließ. Um ihn
zu versöhnen, erklärte sich Anne mit einer stillen Runde in Billy Reeds Little
Club Ecke 5 5. Straße und Sixth Avenue einverstanden, von wo es nur ein kurzer
Fußweg zum Baq Room war, so genannt, weil es am hinteren Ende eines recht
anständigen irischen Pubs mit dem anspruchslosen Namen The Midtown Bar lag.
Walter wäre vollkommen damit zufrieden gewesen, die wohltuende Wirkung eines
Single Malt Whiskey im Vorderzimmer zu probieren, erklärte sich aber
einverstanden, Anne ins Baq zu begleiten, wo Janice Mars zum Vergnügen der
Leute aus dem Actors' Studio an ihrem Stutzflügel hofhielt. Dann gingen sie auf
unsicheren Beinen zur Third Avenue hinüber und saßen in der schwarz-weiß
karierten Cocktailbar des Blue Angel, wo sie immer noch trinken und hören
konnten, wie Tom Lehrer — der Anne ärgerte und Walter zum Lachen brachte — im
großen Saal auftrat.
    Jacoby, der spindeldürre französische Mitbesitzer des Lokals, kam zu
ihnen an den Tisch, um Anne hallo zu sagen und sie zu einem Drink einzuladen.
Sie tranken noch etwas mehr und fanden sich dann irgendwann auf der Straße
wieder, wo sie erfolglos versuchten, sich an die Worte der
>Internationale< zu erinnern und statt dessen die Marseillaise sangen.
Anne hatte gerade geschmettert »Avant, les citoyens!«, als Walter vorschlug,
sie sollten eine Kutschfahrt machen.
    Nach einem
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