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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues
Autoren: Don Winslow
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umgehen. Doch in meinem angegriffenen Zustand
ist das eine viel zu komplizierte Frage. Es genügt, wenn ich sage: »Fröhliches
neues Jahr, Michael Howard«, und es dabei bewenden lasse.
    Er wurde von weiteren Überlegungen befreit, als die Gegensprechanlage
summte und er in Forbes' Büro befohlen wurde.
    Forbes jr. musterte Walter mit einem Blick und fragte: »Was ist denn
mit Ihnen passiert?!«
    »Es ist mir sehr peinlich, aber ich bin in der U-Bahn überfallen
worden.«
    »Nein!«
    Walter zuckte verschämt die Schultern.
    »Sind Sie ganz in Ordnung?«
    »Mein Stolz ist mehr verletzt als sonst etwas.«
    »Nettes Veilchen haben Sie da.«
    »Dann sollten Sie mal den anderen Kerl sehen.«
    Forbes mühte sich eine Minute lang erfolglos mit seiner Pfeife ab, gab
auf und sagte: »Ich habe heute morgen von einem Sergeant Zaif bei der New
Yorker Polizei einen Anruf bekommen.«
    »Oh?«
    »Er wollte mir nur sagen, daß Marta Marlunds Tod offiziell zum
Selbstmord erklärt worden ist«, sagte Forbes, »und er hat mir versichert, daß
Sie vollständig aus der Sache heraus sind.«
    »Es war nett von ihm, sich die Zeit dazu zu nehmen.“
    »Ja«, stimmte Forbes zu. Dann fragte er: »Ist der Howard-Bericht
fertig?«
    »Gestern rausgegangen.“
    »Und?«
    »Oh«, erwiderte Walter. »Gesundheit bestens. Überhaupt kein
Sicherheitsrisiko.«
    Forbes runzelte die Stirn. »Sie haben sich ziemlich lange Zeit für ein
>Kein Risiko< gelassen, meinen Sie nicht auch, Withers?«
    Walter tat, als überlegte er sich die Antwort einen Moment, bevor er
sagte: »Nun, er ist ein wenig zur Seite gerutscht.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie schlechte Augen haben«, erwiderte
Forbes.
    Walter staunte, als er diesen blöden alten Scherz hörte. Er stellte
Forbes jr. ersten Versuch von Humor dar, seit Walter in der Firma war. Er
lachte vor echtem Entzücken, und Forbes fiel mit hilfloser Freude darüber ein,
daß seine Anstrengung von Erfolg gekrönt war.
    »Im Bericht habe ich es allerdings nicht erwähnt«, fügte Walter hinzu.
    »Nein, verstehe«, erwiderte Forbes. Dann wurde er mit Mühe wieder
ernst und sagte: »Ich habe gerade ein Buch von diesem Engländer Parkinson
gelesen. Haben Sie schon davon gehört?«
    »Ich fürchte nein.«
    »Parkinson hat die Theorie entwickelt, daß jede Arbeit dazu neigt, die
dafür vorgesehene Zeit zu überschreiten. Wir wollen hier nicht in Parkinsons
Gesetz versinken, sind wir uns darüber einig, Withers?«
    »Ich verstehe, was Sie meinen, Mr. Forbes.«
    Walter wollte gerade gehen, als Forbes sagte: »Oh! Joe und Madeleine
haben angerufen. Sie sind heute abend auf einer kleinen Fete im Waldorf und
würden sich freuen, wenn Sie kurz mal hereinschauen könnten.«
    »Auf gesellschaftlicher Basis...«
    »Strikt gesellschaftlich«, sagte Forbes. Er senkte die Stimme und
fügte hinzu: »Joe hat sich in dieser Marlund-Sache rechtzeitig geduckt, als die
Kugel angeflogen kam, nicht wahr?«
    »Er ging durch den Regen, ohne naß zu werden«, gab Walter zu.
»Glückliches neues Jahr, Chef.“
    »Glückliches neues Jahr, Withers.«
    Walter blieb bis zum Ende der Bürozeit an seinem Schreibtisch,
wünschte den Sekretärinnen ein glückliches neues Jahr und fuhr dann hinunter,
um mit Mallon und den Mallonettes einen Drink zu nehmen. Als er sich aufmachte,
um ins Waldorf zu gehen, stieß er draußen auf der Straße mit Sam Zaif zusammen.
Der Detective hielt ihn an und zeigte ihm seine Marke.
    »Zaif, Hundefänger.«
    »O nein, Sam.«
    »Nun, ganz so schlimm ist es nicht«, fuhr Zaif fort. »Zivilstreife,
Brooklyn.«
    »Es hätte schlimmer kommen können.«
    »Sie haben die Ermittlungen abgewürgt«, sagte Zaif. »Nationale
Sicherheitsinteressen<.«
    »Oh, verstehe.«
    »Sie haben versucht, mich zu warnen.« Walter antwortete nicht. Sie standen
neben dem Weihnachtsbaum, der inzwischen müde aussah und die Äste hängen
ließ. Einige Schlittschuhläufer drehten auf der Eisbahn ihre Runden.
    »Hören Sie zu«, sagte Zaif. »Ich werde es schaffen, wieder nach
Manhattan zu kommen.«
    »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Walter.
    Das war er auch. Zaif war zu klug und arbeitete zu hart. Die Oberen
würden diese Qualitäten zwar nie verzeihen, konnten sie aber auch nicht
ignorieren.
    »Wissen Sie«, sagte Zaif, »daß ein zu den Akten gelegter Todesfall
jederzeit wieder aufgerollt werden kann?«
    »Das habe ich nicht gewußt.«
    »Ich werde Sie im Auge behalten, Walter.«
    »Das würde mich freuen, Sam.«
    Das würde es tatsächlich,
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