Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
verspeisen will. Es brachte Walter aufrichtig in Wut. »Und wie
ich höre, haben alle dir die Schuld gegeben, Walter, als man sie verhörte. Sie
hätten die Arbeiter dieser Welt nie verraten, wenn du sie nicht mit deinen
kapitalistischen Tricks reingelegt hättest, Walter Withers. Dein Name war der
letzte Fluch auf ihren sterbenden Lippen, wie ich gehört habe.«
    Walter erinnerte sich. Zielperson um Zielperson — seine Zielpersonen,
verdammt - verschwand einfach vom Radarschirm. Oder die Leute kamen mit
schlechten Informationen wieder, nachdem die Sowjets sie erneut umgedreht
hatten. Und ihre eigenen Agenten, Männer der Firma, gingen in Fallen. Und das
alte Gerücht von einem wiederauftauchenden Maulwurf ging um. Die Paranoia
drohte jeden in der Firma zu verschlucken wie ein bodenloser Morast. In wenigen
Monaten war aus Paranoia Paralyse geworden. Und dann der Alptraum, nur daran zu
denken, daß die armen Kerle mit seinem Namen auf den Lippen gestorben waren.
    »Ich habe keine Lust, Keneally zu führen«, sagte Walter. »Ich möchte
nur aussteigen.«
    Morrison schüttelte den Kopf. »Du weißt genau, daß es so nicht läuft.
Wir holen dich raus, wenn du verbraucht bist, und nicht vorher. Solltest du
dann ein guter kleiner Arbeiter gewesen sein, werden wir dich und die Dame zu
einem kleinen Urlaub in Wien einladen, dann reist ihr weiter nach Osten und
bekommt in Moskau eine hübsche kleine Wohnung für zwei und vielleicht sogar
einen Kühlschrank. Übrigens, diese Bilder von Anne und Marta... puh. Haben
mich ziemlich angemacht, das kann ich dir sagen.«
    »Ich dachte, du hättest Probleme auf diesem Gebiet, Michael.«
    »Tarnung, Walt. Reine Tarnung. Jeder Teil von Michael Morrison
funktioniert bestens, das kann ich dir versichern.«
    »Freut mich, das zu hören«, gab Walter zurück. »Doch was dein
großzügiges Angebot betrifft, werde ich wohl einfach zur Firma gehen und
auspacken. Ich werde ihnen von dir erzählen.«
    Morrison schien kurz die Fassung zu verlieren, verbarg es aber schnell
hinter seinem Grinsen.
    »Walt«, sagte er. »Du bist im Moment nicht am Zug. Ich meine, bitte
gib mir keinen Anlaß, dich auf der Stelle zu erschießen und in den Fluß zu
kippen. Und was ist mit mir? Du warst
derjenige, der mit Marta im Zimmer war, nicht ich. Du warst derjenige, der
Keneally in das verwanzte Zimmer brachte, nicht ich. Du warst der alte
Fliegenfängerkünstler, nicht ich. Dabei fällt mir übrigens ein, daß du die
Bänder hast, nicht ich.
    Und dann ist da noch Anne. Du lieber Himmel, Walter, du hattest in
jeder Stadt Europas ein Rendezvous mit ihr! Sie arbeitet seit McCarthy als
Kurier für uns! Wie wird das wohl aussehen? Es ist doch zum Kringeln, wenn man
sich das vorstellt: Withers klebt an einem Fliegenfänger. Einfach wundervoll!«
    Morrison, der sonst keinerlei Sinn für Humor hatte, lehnte sich in
seinem Decksstuhl zurück, nippte an seinem Wodka-Martini mit echtem russischem
Wodka und lachte.
    »Hat Anne Bescheid gewußt?« fragte Walter.
    »Anne weiß gar nichts«, erwiderte Morrison. »Sie weiß nicht einmal,
daß du zur Firma gehörtest. Sie weiß nicht einmal, daß ich die Gegenseite bin.
Sie glaubte nur, bei einer Erpressung Keneallys zu helfen, damit der
Senatsausschuß ein paar ihrer Freunde in Ruhe läßt. Das wird ihr natürlich
nicht helfen, wenn die Jungs von der Firma in einer dieser Hütten in Virginia
den Saft aufdrehen, denn sie werden viel Zeit und Energie darauf verwenden, sie
dazu zu bringen, Dinge zu erzählen, die sie nicht einmal weiß. Irgendwann
werden sie ihr vielleicht glauben, doch dann wird sie, du weißt schon, gaga
sein.«
    Er ließ seinen Zeigefinger an der Schläfe herumwirbeln.
    »Nein«, fuhr er fort. »Die arme Anne weiß gar nichts. Sie hat nichts
weiter getan, als bei ihrer alten Freundin Marta ein paar Tonbänder abzuholen
und sie ihrer neuen Freundin Alicia zu übergeben. Wenn ich du wäre, Walter,
würde ich mit diesem Lesben-Dreieck spielen. Das könnte das gute alte Sexleben
wirklich ein bißchen auffrischen. Aber Himmel, wenn ich daran denke, was die
Jungs mit Anne tun könnten, wenn sie sie erwischen, überläuft es mich kalt. Mit
dir übrigens auch. Wie ich höre, haben sie ein paar neue Drogen, die einen
einfach verrückt machen. Irgendwie permanent.«
    Morrison schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Jahre und Jahre mit
dieser Scheiße. Eingesperrt. Die Aussicht darauf konnte ich nicht ertragen, als
sie mich umdrehten. Sie haben mich mit einem dieser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher