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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 07. Zaertlicher Raeuber
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begreifen, was ich meine.«
    »Oh, im Begreifen von Dingen und im Ergreifen von Dieben bin ich ziemlich gut. Und wo ich herkomme, gelten ebenfalls Regeln. Manchmal muss man sie nicht einmal erklären – wenn Sie begreifen, was ich meine.«
    Da Jeremy bezweifelte, dass sich so ein mächtiger Schädel einschlagen lassen würde, zückte er einfach eine seiner Pistolen und hielt sie dem Kerl ins Gesicht. Das funktionierte ausgezeichnet: Der Wirt hob die Hände und wich zurück.
    »Kluges Kerlchen«, fuhr Jeremy fort. »Also, Sie können Ihren Dieb zurückhaben ...«
    »Ist nicht mein Dieb«, warf der wuchtige Wirt vorsichtshalber ein.
    »Egal«, erwiderte Jeremy auf seinem Weg durch die Tür. »Er kommt zurück, sobald wir unsere Geschäfte mit ihm erledigt haben.«
    Weitere Versuche, sie am Verlassen der Gegend zu hindern, gab es nicht. Ohnehin war der einzige Mensch, dem sie zu so später Stunde noch begegneten, eine betrunkene alte Frau, die aber noch klar genug im Kopf war, um bei ihrem Anblick sogleich die Straßenseite zu wechseln.
    Percy war völlig außer Atem, nachdem er den Dieb vier Häuserblocks weit über der Schulter getragen hatte.
    Aus nahe liegenden Gründen hatten sie die Kutsche nicht in der Nähe der Schänke abgestellt, vor allem, weil sie sonst bei ihrer Rückkehr vermutlich verschwunden gewesen wäre. Vier Häuserblocks weiter in einem weniger unsicheren, besser beleuchteten Viertel war ihnen angemessen vorgekommen, aber der Weg war doch ein bisschen zu lang, um den Dieb zu schleppen. So war es kaum eine Überraschung, dass Percy seine Last einfach auf den Boden der Kutsche warf, und zwar nicht gerade sanft. Zu mehr war er vor lauter Erschöpfung nicht in der Lage.
    Als Jeremy hinter Percy in die Kutsche stieg, sah er, dass er das Mädchen wohl oder übel erneut anfassen musste, um es auf den Sitz zu hieven. Er hatte sich wirklich bemüht, der Versuchung zu widerstehen, indem er Percy die Kleine schultern ließ. Er hätte sie durchaus selbst tragen und sich gleichzeitig um alles kümmern können, das ihnen in die Quere kam. Trotzdem hatte er Percy die Last aufgebürdet, weil er bereits herausgefunden hatte, was es bei ihm selbst anrichtete, wenn er das Mädchen berührte. Sie nur anzuschauen war etwas anderes; das hatte keine Wirkung auf einen Schürzenjäger wie ihn. Sie anzufassen war jedoch viel zu intim, und auf Intimitäten reagierte Jeremy grundsätzlich wollüstig.
    Diese Kleine zu wollen widerstrebte ihm jedoch. Sie war schön, ja, aber sie war eine Diebin, die vermutlich in der Gosse aufgewachsen war oder noch schlimmer. Ihr Benehmen lag höchstwahrscheinlich so weit unter seinen Ansprüchen, dass sich jedes Nachdenken darüber erübrigte.
    Es half nichts. Der arme Percy war zweifellos genauso erschöpft, wie er aussah. Bevor Jeremy Hand an das Mädchen legte, bemerkte er, dass über dem Nachsinnen über sein Dilemma so viel Zeit verstrichen war, dass die Kutsche sich bereits in Bewegung gesetzt hatte und die Randbezirke der Stadt in Sicht kamen. Nun würde es ein Leichtes sein, ihr Opfer an der Flucht zu hindern; er konnte die Kleine also einfach losbinden, sodass sie es sich selbst auf dem Sitz bequem machen konnte.
    Sogleich machte er sich ans Werk, zuerst an ihren Fü-
    ßen, die ausgesprochen zierlich waren. Dann an ihren Händen. Den Knebel rührte Jeremy nicht an; schließlich konnte sie ihn jetzt selbst entfernen, was sie auch ohne Umstände tat. Ebenso umstandslos versetzte sie Jeremy einen Hieb, als sie sich vom Boden erhob.
    Damit hatte er nicht gerechnet, obwohl er es eigentlich hätte wissen müssen. Schließlich hatte sie schon vorher versucht, ihn zu boxen. Er war darauf gefasst gewesen, dass sie Gift und Galle sprühen würde, ja, auch auf weitere ordinäre Flüche, gewiss – doch dass sie sich wie ein Kerl aufführen würde ...
    Natürlich traf das Mädchen daneben. Dank seines ausgezeichneten Reaktionsvermögens gelang es Jeremy, sein Kinn, auf das der Hieb gezielt hatte, aus der Schuss-linie zu ziehen. Die Faust des Mädchens streifte aber immerhin seine Wange und landete auf seinem Ohr, in dem er nun einen brennenden Schmerz verspürte. Bevor er jedoch angemessen darauf reagieren konnte, sagte Percy sarkastisch: »Wenn du vorhast, ihn zu Brei zu schlagen, mein Lieber, dann sei bitte leise dabei. Ich möchte schlafen, bis wir da sind.«
    Unterdessen wollte sich ihre Diebin flugs zur Tür wenden; Jeremy konnte sie jedoch gerade noch hinten am Kragen fassen und auf
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