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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion
Autoren: Georges Simenon
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Nachbarschaft. Man sah in der Ferne die hell erleuchtete Rue du Pontd’Avroy, auf der alle zwei, drei Minuten Straßenbahnen daherk a men und trotz des Regens eine dichte Menge langsam vorbeiging. Es ist der traditionelle Spaziergang der Lütt i cher. Auf der breiteren Hauptstraße herrscht stets G e dränge: Familien, junge Mädchen Arm in Arm, Gruppen junger Burschen, die die Vorüberg e henden mustern, und einige elegante Flaneure, geme s senen Schrittes und so steif, als gingen sie in Gold g e kleidet.
    In den kleinen Querstraßen liegen mehr oder minder zweifelhafte Nachtlokale wie das ›Gai-Moulin‹. An den Wänden schattenhafte Gestalten. Manchmal eine Frau, die aus dem Licht heraustritt, in die Dunkelheit ei n taucht, stehenbleibt und auf ihren Begleiter wartet.
    Kurzes Getuschel. Ein paar Schritte bis zu einem H o tel, dessen Eingang eine Kugellampe aus Mattglas b e zeichnet.
    »Sie versprechen sich wirklich Erfolg?«
    Maigret bemühte sich mit einem Achselzucken. Und sein Blick war so gleichmütig, daß er geradezu töricht wirkte.
    »Jedenfalls glaube ich nicht, daß es Chabot heute in den Sinn kommt auszugehen. Zumal seine Mutter bet t lägerig ist!«
    Kommissar Delvigne mochte sich mit diesem har t näckigen Schweigen nicht abfinden. Er betrachtete seine neue Pfeife, die noch nicht eingeraucht war.
    »Übrigens, erinnern Sie mich doch morgen daran, daß ich Ihnen eine gebe. Dann haben Sie wenigstens ein Andenken an Lüttich … «
    Zwei Gäste betraten das ›Gai-Moulin‹.
    »Ein Schneider aus der Rue Hors-Château und der Besitzer einer Autowerkstatt«, verkündete Kommissar Delvigne. »Beides Stammgäste. Bonvivants, wie man hier sagt … «
    Doch dann kam jemand heraus, den sie sich genau ansehen mußten, um ihn zu erkennen. Es war Victor, der seine Arbeitskleidung gegen einen Straßenanzug und einen Mantel vertauscht hatte. Er ging rasch. Ein I n spektor heftete sich sogleich an seine Fersen.
    »Schau … schau! … « zischte Kommissar Delvigne und pfiff durch die Zähne.
    Maigret seufzte tief und warf seinem Gefährten einen mörderischen Blick zu. Konnte dieser Belgier wahrhaftig nicht ein paar Minuten still sein? …
    Maigret hatte die Hände in den Taschen vergraben. Und ohne daß man ihm seine gespannte Aufmerksa m keit anmerkte, erfaßte sein Blick auch die geringsten Veränderungen in der Umgebung.
    Er war der erste, der René Delfosse erspähte, mit se i nem mageren Hals, die Silhouette seiner ungesunden Jünglingsgestalt, wie sie zögernd in die Straße einbog, zweimal den Gehsteig wechselte und schließlich auf den Eingang des ›Gai-Moulin‹ losging.
    »Schau, schau!« wiederholte Kommissar Delvigne.
    »Ja!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Nichts!«
    Wenn Maigret auch weiterhin nicht reden wollte, so war er jetzt doch derart interessiert, daß er einiges von seiner Gelassenheit verlor. Er trat etwas vor, ein wenig achtlos, denn eine Gaslaterne ließ tüchtig die obere Hälfte seines Gesichts erkennen. Es dauerte nicht lang. Delfosse blieb kaum zehn Minuten in dem Lokal. Als er wieder herauskam, ging er rasch und in Richtung der Rue du Pontd’Avroy davon.
    Einige Sekunden später wiederum kam Delvignes Schwager heraus, sah sich suchend um. Es war ein leiser Pfiff nötig, um ihn auf sie aufmerksam zu machen.
    »Nun?«
    »Delfosse hat sich an den Tisch der Tänzerin gesetzt … «
    »Und dann?«
    »Dann haben sie zusammen die Toilette aufgesucht, worauf er weggegangen ist, während sie sich wieder hi n setzte … «
    »Hatte Adèle ihre Handtasche dabei?«
    »Ja! … Ein Täschchen aus schwarzem Samt … «
    »Gehen wir! … « sagte Maigret.
    Und er schritt so schnell aus, daß seine Begleiter ihm nur mit Mühe zu folgen vermochten.
    »Was soll ich tun?« fragte der Schwager.
    Maigret zog Kommissar Delvigne mit sich.
    »Sie gehen wieder hinein natürlich!«
    In der Rue du Pontd’Avroy konnten sie den jungen Mann nicht sehen, der hundert Meter Vorsprung in der dichten Menge hatte. Doch als sie an die Ecke der Rue de la Régence kamen, nahmen sie undeutlich eine Gestalt wahr, die den Häusern fast im Laufschritt entla n geilte.
    »Schau, schau! … « entfuhr es Kommissar Delvigne unwillkürlich.
    »Er geht in ihr Zimmer, jawohl!« stellte Maigret fest. »Er hat sich von ihr den Schlüssel geben lassen. «
    »Und das bedeutet?«
    Delfosse betrat das Haus, machte die Tür hinter sich zu und war nun wahrscheinlich dabei, die Treppe hinaufzusteigen.
    »Was tun wir jetzt?«
    »Einen
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