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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes
Autoren: Georges Simenon
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abgeschickt hat.
    Einige Stunden später händigt Janvier sie mir aus. Hier sind sie! Der eine klärt Madame Crosby darüber auf, daß ihr Gatte den Mord an Madame Henderson in Auftrag gegeben hat. Als Beweis liegt dem Schreiben die Schachtel mit dem Schlüssel bei, die immer noch die Adresse in der Handschrift des Amerikaners trägt.
    Radek kennt sich in den Gesetzen aus. Er weist Madame Crosby darauf hin, daß ein Mörder sein Opfer nicht beerben kann, weshalb man ihr Vermögen beschlagnahmen wird.
    Er befiehlt ihr, sich um Mitternacht ins ›Citanguette‹ zu begeben, in einem der Zimmer die Matratze nach dem Dolch zu durchsuchen und die Tatwaffe an einem sicheren Ort zu verstecken.
    Falls sie den Dolch nicht findet, soll sie nach Saint-Cloud fahren und im Kleiderschrank der Zofe nachsehen …
    Beachten Sie dieses Bedürfnis, andere Menschen zu demütigen und gleichzeitig die Dinge zu komplizieren. Madame Crosby hat im ›Citanguette‹ nichts zu suchen. Das Messer hat sich nie in dem Bistro befunden.
    Aber es macht Radek Spaß, die verwöhnte Amerikanerin in so eine Spelunke zu schicken.
    Doch damit nicht genug! Seine krankhafte Freude an Verwicklungen treibt ihn noch weiter. Er teilt der jungen Frau mit, daß Edna Reichberg die Geliebte ihres Mannes war und daß Crosby sie zu heiraten beabsichtigte.
    ›Sie weiß über alles Bescheid‹, schreibt er. ›Sie haßt Sie und wird jede Gelegenheit benutzen, um auszupacken. Und dann werden Sie mittellos dastehen.‹«
     
    Maigret wischte sich mit einem Seufzer den Schweiß von der Stirn.
    »›Idiotisch‹, werden Sie jetzt sagen, nicht wahr? Das Ganze erinnert an einen Alptraum. Sie müssen sich aber vorstellen, daß Radek seit Jahren nur noch von ausgeklügelten Racheakten träumt.
    Im übrigen ist er nicht weit von der Wahrheit entfernt. In seinem zweiten Brief teilt er Edna Reichberg mit, Crosby sei der Mörder von Saint-Cloud, den Beweis finde sie im Kleiderschrank, und einen Skandal könne sie vermeiden, wenn sie die Waffe zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Villa holen gehe.
    Er fügt noch hinzu, Madame Crosby habe über das Verbrechen ihres Mannes von Anfang an Bescheid gewußt.
    Ich wiederhole, der Mann fühlte sich als Schicksalsgott.
    Die zwei Briefe haben ihren Bestimmungsort nie erreicht, da Janvier sie, wie gesagt, abgefangen und mir übergeben hat.
    Wie aber ließ sich beweisen, daß sie von Radeks Hand stammten? Nun, sie sind, genau wie die Mitteilung an den Sifflet , mit der linken Hand geschrieben worden!
    Darauf bat ich die beiden Frauen um ihre Mitwirkung bei einem Experiment, da es darum ginge, den wahren Mörder Madame Hendersons zu finden.
    Ich bat sie, die Anweisungen aus den Briefen genau zu befolgen …
    Radek hat mich selbst erst zum ›Citanguette‹ und dann nach Saint-Cloud geführt.
    Er mußte ja wissen, daß das Drama sich seinem Ende näherte. Und was für ein großartiges Finale hätte das werden können, wären die Briefe nicht abgefangen worden!
    Madame Crosby, durch die Enthüllungen des Mörders wie vor den Kopf geschlagen, nach dem peinlichen Auftritt in der Flußkneipe völlig gebrochen, erscheint in der Villa in Saint-Cloud, betritt das Zimmer, wo der Doppelmord stattgefunden hat …
    Stellen Sie sich ihren Zustand vor! … Und dann steht sie Edna Reichberg gegenüber, die den Dolch in der Hand hat!
    Ich behaupte nicht, daß die Szene mit einem Mord geendet hätte. Aber ich glaube fast, Radek hat die psychologische Wirkung richtig eingeschätzt …
    In meiner Inszenierung haben sich die Dinge nun aber ganz anders abgespielt. Madame Crosby ist allein aus dem Haus gekommen.
    Und die Frage, was sie mit Edna gemacht hatte, ließ Radek keine Ruhe.
    Er folgte mir hinauf ins Schlafzimmer. Er war es, der den Schrank öffnete … Und statt einer Leiche fand er eine sehr lebendige junge Schwedin.
    Er sah mich an. Er hatte begriffen. Und er tat endlich das, worauf ich gewartet hatte. Er schoß. «
    Richter Coméliaus Augen weiteten sich ungläubig.
    »Keine Angst! Ich hatte noch am gleichen Nachmittag im Gedränge auf dem Gehsteig seinen geladenen Revolver gegen eine leere Waffe ausgetauscht.
    Das wär’s! Er hat gespielt – und verloren.«
    Maigret zündete seine erloschene Pfeife wieder an, erhob sich, legte die Stirn in Falten.
    »Ich gebe zu, er ist ein guter Verlierer. Den Rest der Nacht haben wir zusammen am Quai des Orfèvres verbracht. Ich hab ihm offen gesagt, was ich wußte, und er hat mich nicht länger als eine Stunde
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