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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes
Autoren: Georges Simenon
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seinem ganzen Gewicht auf den Tschechen. Beide stürzten zu Boden.
    »Hundert Kilo«, hatte er gesagt.
    Und damit erdrückte er nun seinen Gegner, der sich zwei-, dreimal aufbäumte und schließlich mit gefesselten Handgelenken still lag.
    »Verzeihung, Mademoiselle«, murmelte der Kommissar und richtete sich wieder auf. »Sie können gehen … Draußen wartet ein Taxi auf Sie. Radek und ich haben uns noch eine Menge zu erzählen …«
    Der Tscheche bäumte sich wütend auf, doch die schwere Pranke des Kommissars drückte ihn nieder. Gelassen fuhr Maigret fort:
    »Oder etwa nicht, mein Gartenzwerg?«

11
    Hoch gepokert
    In Maigrets Büro am Quai des Orfèvres brannte das Licht von drei Uhr nachts bis zum Morgengrauen, und die wenigen Beamten, die im Haus Dienst taten, hörten die ganze Zeit über ein gleichmäßiges Gemurmel.
    Um acht Uhr ließ sich der Kommissar vom Bürodiener ein Frühstück für zwei Personen heraufbringen. Dann rief er Richter Coméliau in dessen Wohnung an.
    Es war neun Uhr, als die Tür aufging. Maigret trat zur Seite, um Radek an sich vorbeizulassen. Radek trug keine Handschellen.
    Sie waren beide erschöpft. Doch weder beim Mörder noch beim Kriminalbeamten konnte man eine Spur von Feindseligkeit entdecken.
    »Hier weiter?« fragte der Tscheche, als sie am Ende des Flurs angelangt waren.
    »Ja. Wir nehmen den kürzesten Weg, direkt durch das Gerichtsgebäude.«
    Durch den Gang, den nur die Beamten des Polizeipräsidiums benutzten, führte Maigret seinen Gefangenen ins ›Depot‹. Die Formalitäten waren rasch erledigt. Im Augenblick, da ein Wärter Radek in seine Zelle abführte, schaute Maigret den Mann noch einmal an, als wollte er etwas sagen – vielleicht »Auf Wiedersehen« –, dann zuckte er aber die Achseln und machte sich langsam auf den Weg zum Dienstzimmer des Untersuchungsrichters.
     
    Der Richter hatte seine Rechtfertigung vorbereitet und eine gleichmütige Miene aufgesetzt, als an die Tür geklopft wurde. Die Mühe hätte er sich sparen können.
    Maigret ließ keinerlei Schadenfreude erkennen. Auf seinem Gesicht lagen weder Triumph noch Spott. Er war ganz einfach ein Mann, der erschöpft wirkte, nachdem er eine langwierige und anstrengende Aufgabe zu Ende geführt hatte.
    »Darf ich rauchen? … Danke! … Es ist kalt bei Ihnen …«
    Mißbilligend betrachtete er den Heizkörper. In seinem Büro hatte er ihn herausreißen lassen und durch einen alten gußeisernen Ofen ersetzt.
    »Der Fall ist erledigt. Wie ich Ihnen am Telefon sagte, hat er gestanden. Und ich glaube nicht, daß er Ihnen jetzt noch Schwierigkeiten machen wird, denn er ist ein guter Spieler und sieht ein, daß er die Partie verloren hat.«
    Der Kommissar hatte sich auf losen Zetteln Notizen gemacht, die er für seinen schriftlichen Rapport zu verwenden gedachte, aber die Blätter waren ihm durcheinandergeraten, und er stopfte sie seufzend wieder in die Tasche.
    »Das Charakteristische an dieser Affäre …«
    Es klang ihm zu pompös. Er stand auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, ging im Zimmer auf und ab und hob noch einmal an.
    »Es war von Anfang an ein ausgemachter Schwindel. Ein Täuschungsmanöver, nichts weiter. Das Wort habe nicht ich erfunden. Es stammt vom Mörder selbst, und dabei konnte er, als er es zum erstenmal verwendete, nicht einmal wissen, wie recht er hatte.
    Was mir zu denken gab, als wir Joseph Heurtin verhafteten, war folgendes: Sein Verbrechen ließ sich in keine einzige der bekannten Kategorien einstufen. Er hatte sein Opfer nicht gekannt. Er hatte es nicht beraubt. Er war weder ein Sadist noch ein Verrückter …
    Ich habe mit der Untersuchung wieder von vorn beginnen wollen und dabei immer mehr das Gefühl gehabt, daß wir von grundfalschen Voraussetzungen ausgegangen waren.
    Das war aber, wie ich betonen möchte, kein Zufall. Man hatte uns bewußt, ja auf geradezu wissenschaftliche Art und Weise hinters Licht geführt. Man hat mit gefälschten Tatsachen operiert, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken und das Gericht zu einem entsetzlichen Justizirrtum zu verleiten.
    Und erst der Mörder selbst! An dem Mann ist alles falsch, noch falscher als das ganze Theater, das er inszeniert hat.
    Sie kennen die Psychologie der verschiedenen Verbrechertypen so gut wie ich. Aber weder Sie noch ich haben jemals einen Typen wie Radek kennengelernt.
    Acht Tage lang weiche ich nicht von seiner Seite, beobachte ihn, versuche seinen Gedankengängen zu folgen. Acht Tage lang falle
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