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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom
Autoren: Peter Watts
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gedämpfter elektromagnetischer Strahlung.
    Und einer von ihnen bildete eine Knospe – ein kleiner Klumpen strahlender Technik, der sich von dem Cycler löste und sich unsicher auf das Wasser zuschlängelte. Außerdem gab es eine Wärmesignatur, wie sie von reiner Technik nicht erzeugt werden konnte. Perreault grenzte das Spektrum auf sichtbares Licht ein.
    Es war eine Frau, ganz in Schwarz.
    Sie hatte vom Cycler gegessen. Die näherkommende Mechfliege hatte sie erst bemerkt, als sie weniger als hundert Meter von ihr entfernt gewesen war. Dann war sie hochgeschreckt, hatte sich umgedreht und in die Linse geblickt.
    Ihre Augen waren vollkommen weiß. Sie besaßen keinerlei Pupillen.
    Verflucht noch mal , dachte Perreault.
    Als die Mechfliege sich der Frau genähert hatte, war diese aufgesprungen und den felsigen Abhang hinuntergestolpert. Sie schien mit den Bewegungen ihres Körpers nicht recht vertraut zu sein. Zweimal war sie hingefallen. Als sie beim Wasser angekommen war, hatte sie nach irgendetwas gegriffen, das am Strand gelegen hatte – Schwimmflossen, wie Perreault feststellte –, und hatte sich ins Meer gestürzt. Eine gebrochene Welle war den Strand hinaufgerollt und hatte sie verschluckt. Als sie schließlich wieder zurückwich, war die Küste leer.
    Das Ganze war vor weniger als einer Minute geschehen.
    Perreault bewegte die Finger – in zwölfhundert Kilometern Entfernung senkte sich die Mechfliege auf den Boden hinab. An Land gespültes Wasser floss in dünnen, schaumigen Rinnsalen ins Meer zurück und löschte die Fußabdrücke des Geschöpfes aus. Ein paar Meter weiter toste die Brandung des Pazifiks. Einen Moment lang glaubte Perreault, in dem Durcheinander aus Gischt und wirbelndem grünem Glas etwas gesehen zu haben – eine dunkle, amphibienähnliche Gestalt, ein Gesicht, das so gut wie keine Topografie besaß. Doch der Moment ging vorbei, und nicht einmal die verstärkten Sinnesorgane der Mechfliege konnten ihn zurückholen.
    Sie sah sich die Sequenz noch einmal an und rekonstruierte:
    Die Mechfliege hatte lebendes Wesen und Maschine miteinander verwechselt. Sie hatte, wie in der Standardeinstellung vorgesehen, ein breites Spektrum benutzt, in dem elektromagnetische Signaturen wie diffuses Halogen leuchteten. Als die schwarz gekleidete Frau neben dem Cycler gestanden hatte, hatte die Mechfliege die beiden dicht nebeneinander befindlichen Signale für eines gehalten. Als sie sich von dem Cycler entfernte, hatte es für die Mechfliege so ausgesehen, als würde dieser auseinanderbrechen.
    Die Frau strahlte jede Menge elektromagnetischer Signale aus. In ihrem Fleisch waren Maschinen eingebettet.
    Perreault löste eine Standbildaufnahme aus der Aufzeichnung. Ganz in Schwarz, eine durchgehende, eng anliegende Uniform auf den Körper gemalt. Um das Gesicht herum war sie offen. Ein blasses Oval, in dem zwei noch blassere Ovale ruhten, an der Stelle, wo sich eigentlich die Augen befinden sollten. Taktische Kontaktlinsen vielleicht?
    Nein , wurde ihr klar. Photocollagene. Um im Dunkeln sehen zu können.
    Hier und da wurde die Gestalt von Plastik und Metall verunziert – ein Futteral am Bein, Steuerungspads an den Unterarmen und eine Art Scheibe auf der Brust. Und ein hellgelbes Dreieck an der Schulter, ein Logo, das aus zwei großen stilisierten Buchstaben bestand – NB , sah sie, als sie das Bild kurz vergrößerte – und eine kleinere Textzeile darunter, die jedoch zu sehr von nassem Sand verschmiert war, als dass sie sie hätte entziffern können. Vermutlich ein Namensschild.
    NB. Das musste die Netzbehörde sein, das Energieversorgungsunternehmen von N'AmPaz. Und diese Frau war eine Taucherin, die ihr Tauchgerät im Innern ihres Körpers trug. Perreault hatte davon gehört; solche Taucher waren für Arbeiten in der Tiefsee sehr gefragt. Sie mussten sich nicht dekomprimieren oder etwas in der Art.
    Wieso stolperte eine Taucherin der NB in der Übergangszone umher? Und warum, in Gottes Namen, hatte sie von dem Cycler gegessen? Man musste schon kurz vorm Verhungern sein, um dieses Zeug zu essen, ganz egal, wie nahrhaft es war. Vielleicht war die Frau ja tatsächlich kurz vorm Verhungern – sie hatte nicht besonders gut ausgesehen und war kaum in der Lage gewesen, aufrecht zu stehen. Warum war sie weggelaufen? Sie musste doch wissen, dass jemand sie holen kommen würde, nachdem eine der Mechfliegen sie gesichtet hatte …
    Natürlich hatte sie das gewusst.
    Perreault ließ die Fliege ein paar
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