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Magie

Titel: Magie
Autoren: Trudi Canavan Michaela Link
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Mutter will, dass du aufhörst, mir zu helfen.«
    Aus freudiger Erwartung wurde Ärger. »Ich weiß.« Sie verzog das Gesicht. »Sie will, dass ich mir einen netten Ehemann suche und anfange, Kinder in die Welt zu setzen.«
    Er lächelte nicht, wie er es früher getan hatte, wenn das Thema zur Sprache gekommen war. »Ist das so schlimm? Du kannst keine Heilerin werden, Tessia.«

    Als sie den Ernst in seiner Stimme hörte, sah sie ihn überrascht und enttäuscht an. Obwohl ihre Mutter diese Meinung schon viele Male geäußert hatte, hatte ihr Vater ihr nie darin zugestimmt. Sie hatte das Gefühl, als würde etwas in ihr zu Stein, in ihrem Magen, kalt, hart und unnachgiebig. Was natürlich unmöglich war. Menschliche Organe verwandelten sich nicht in Stein.
    »Die Dorfbewohner werden dich nicht akzeptieren«, fuhr er fort.
    »Das kannst du nicht wissen«, protestierte sie. »Nicht, bevor ich es versucht habe und gescheitert bin. Welchen Grund könnten sie haben, mir zu misstrauen?«
    »Keinen. Sie mögen dich durchaus, aber die Vorstellung, eine Frau könnte heilen, ist ihnen genauso fremd wie die, dass einem Reber Flügel wachsen und er fliegen könnte. Es liegt nicht in der Natur einer Frau, einen klugen Kopf zu haben, denken sie.«
    »Aber die Geburtsmütter... Ihnen vertrauen sie doch auch. Warum besteht ein Unterschied zwischen ihrem Geschäft und der Heilkunst?«
    »Weil das, was die Geburtsmütter tun, sich auf ein kleines, genau festgelegtes Gebiet beschränkt. Vergiss nicht, die Menschen wenden sich an mich um Hilfe, wenn das Wissen einer Geburtsmutter unzureichend ist. Ein Heiler verfügt über Kenntnisse, zu denen keine Geburtsmutter Zugang hat. Die meisten Geburtsmütter können nicht einmal lesen.«
    »Und doch vertrauen die Menschen ihnen. Manchmal vertrauen sie ihnen mehr als dir.«
    »Das Gebären ist eine ausschließlich weibliche Fähigkeit«, erwiderte er trocken. »Das Heilen ist es nicht.«
    Tessia konnte nicht sprechen. Ärger und Enttäuschung stiegen in ihr hoch, aber sie wusste, dass sie ihrer Sache durch Wutausbrüche nicht half. Sie musste überzeugend sein, und ihr Vater war kein einfältiger Dörfler, den man leicht beeinflussen konnte. Er war wahrscheinlich der klügste Mann im Dorf.
    Als der Wagen die Hauptstraße erreichte, fluchte sie im Stillen.
Ihr war nicht klar gewesen, wie sehr er sich der Meinung ihrer Mutter angenähert hatte. Ich muss seine Meinung wieder ändern, und ich muss vorsichtig dabei zu Werke gehen, überlegte sie. Er verstößt nicht gern gegen Mutters Wünsche. Also muss ich ebenso ihr Vertrauen in ihre Argumente schwächen, wie ich Vaters Zweifel an der Fortsetzung meiner Ausbildung zerstreuen muss. Sie musste alle Argumente erwägen, die für eine Zukunft als Heilerin sprachen, so wie die, die dagegen sprachen. Und dann musste sie ihre Erkenntnisse zu ihrem Nutzen einsetzen. Außerdem musste sie die Pläne ihrer Eltern bis ins Kleinste kennen.
    »Was wirst du tun, wenn ich dir nicht mehr helfe?«, fragte sie.
    »Ich werde einen Jungen aus dem Dorf zu mir nehmen«, sagte ihr Vater.
    »Welchen?«
    »Vielleicht den Jüngsten des Müllers. Er macht einen intelligenten Eindruck.«
    Er hatte also bereits über diese Frage nachgedacht. Ein Stich der Kränkung durchzuckte sie.
    Die gut gewartete Hauptstraße war weniger gefurcht als der Viehweg des Bauern, daher ließ ihr Vater abermals die Zügel schnalzen und drängte die Stute zu einem schnelleren Tempo. Die verstärkte Vibration des Wagens raubte Tessia die Fähigkeit zum Nachdenken. Als sie sich dem Dorf näherten, sah sie Gesichter in den Fenstern auftauchen. Die wenigen Dorfbewohner, die draußen unterwegs waren, blieben stehen und grüßten ihren Vater mit einem Nicken und einem Lächeln.
    Als ihr Vater die Zügel anzog, um die Stute durch die Tore des Herrenhauses zu lenken, hielt Tessia sich am Geländer des Wagens fest. In dem fahlen Licht, das im Schatten des Hauses herrschte, konnte sie Stallarbeiter ausmachen, die herbeikamen, um die Zügel zu übernehmen, sobald der Wagen stehen blieb. Ihr Vater sprang von der Sitzbank, und Keron trat vor, um die Tasche ihres Vaters entgegenzunehmen. Sie sprang ebenfalls aus dem Wagen und eilte hinter den beiden Männern her, die im Herrenhaus verschwanden.

    Durch die Türen des Flurs, den sie entlanggingen, konnte Tessia flüchtige Blicke in die Küche, die Vorratskammer, das Waschzimmer und andere Arbeitsräume der Dienstboten werfen. Schnelle Schritte hallten durch ein
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