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Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
Autoren: V.A.
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Ich sah, wie Lythas Augen sich beim Gedanken an ihre Liebe weiteten – bei dem Gedanken daran, daß sie von ihr durch das gleiche, das die Heimat auseinanderriß, getrennt werden würde. Ich wechselte das Thema.
    »Ich möchte noch einmal zum See gehen, ein letztes Mal«, sagte ich. »Möchtest du mich begleiten?«
    »Nein, danke, Großmutter.« Sie hatte eine so weiche, zarte Kinderstimme – sicher war sie noch viel zu jung, um sich wegen der Liebe Sorgen zu machen! »Wir Teenager wollen uns die Metallschmelze über den Hügeln anschauen, das ist furchtbar aufregend. Ich möchte auch gern so etwas tun können.«
    »Das kannst du – könntest du –«, sagte ich, »wenn wir unsere Kinder so geschult hätten, wie es richtig gewesen wäre.«
    »Vielleicht lerne ich es noch«, meinte Lytha. Sie hielt die Augen auf die Feder in ihrer Hand gerichtet. Sie seufzte und löste die Feder in eine schwache blaue Rauchwolke auf. »Vielleicht lerne ich es doch noch.« Aber ich wußte, daß sie mit den Gedanken nicht beim Metallschmelzen war.
    Sie drehte sich um und blieb noch einmal stehen. »Großmutter, ich liebe –« Sie hielt inne. Ich konnte fühlen, wie sie nach Worten suchte. »Die Liebe ist doch für ewig, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Die Liebe auf dieser Seite ist ein Teil der allmächtigen Liebe, nicht wahr?«
    »Eine von der Sonne entzündete Kerze.«
    »Aber die Kerze wird ausgehen!« rief sie. »O Großmutter! Die Kerze wird bei der Kreuzfahrt von Winden ausgelöscht werden!« Sie wandte ihr Gesicht ab und flüsterte: »Besonders dann, wenn sie nie ganz richtig geleuchtet hat.«
    »Es gibt noch andere Kerzen«, murmelte ich. Aber ich wußte, daß es für sie wie eine Lüge klingen würde.
    »Aber niemals dieselbe!« Sie trat ein paar Schritte zurück. »Das ist nicht gerecht! Nein, wirklich, ich finde es nicht gerecht!« Und sie eilte über die frostharten Wiesen davon.
    Und während ich ihr nachblickte, fing ich das entzückende, frohe Bild von zwei jungen Menschen auf, die über einen kleinen See hinwegliefen, hüpfend und sich drehend, während die Wellen unter ihren Fugen auf und nieder schlugen und weißen Schaum um ihre schlanken, braunen Waden spritzten. Alles war Blau und Silber, Lachen und Freude. Dieses wunderbare Bild nahm mich gefangen, bis ich plötzlich merkte, daß es gar nicht meiner Erinnerung entsprang. Thann und ich hatten einen anderen kleinen See besessen, den wir viel mehr liebten. Ich hatte den glücklichen Platz eines anderen gesehen, der jetzt zusammen mit meinem und dem ganzen Heim zerstört werden würde. Arme Lytha.
     
    Die fahle Sonne schmolz den letzten Schnee hinweg, als wir Alten uns neben turmhohen Schiffen versammelten. Wir waren alle in dicke Kleidung gehüllt, um uns gegen den frostigen Wind zu schützen. Wir benutzten heute keine persönlichen Schutzschirme. Wir mußten unsere Kräfte für die vor uns liegende Aufgabe sparen. Über uns ragten die gebogenen Rümpfe der metallen scheinenden Schiffe auf, die durch die alten Verbindungen aneinandergekettet waren. Fast hätte ich geweint, als ich die zerfurchte Erde unter ihnen sah – das abgetretene Grün, das nie wieder nachwachsen würde, die Wunden, die nie wieder ganz heilen konnten. Durch halbgeschlossene Augen blinzelte ich zu der Helligkeit des mir am nächsten gelegenen Schiffes hoch, hinauf zu dem milchigen Himmel, und dann senkte ich die Augen vor seiner Fremdheit.
    »Die Zeit ist kurz«, sagte der Älteste. »Noch eine Woche.«
    »Eine Woche.« Ein Seufzen durchlief die Gruppe.
    »Heute nacht müssen wir uns über die Schiffsladungen einig werden. Morgen müssen die Maschinen fertig sein. Danach noch der Treibstoff.« Der Älteste zitterte und wickelte sich noch fester in seinen roten Umhang. »Der Treibstoff, den wir so völlig aus unseren Gedanken verbannt hatten – nach dem Frieden. Denn einst hat er uns keine guten Dienste geleistet. Aber er ist notwendig. Wir benötigen ihn jetzt mehr denn je.« Wieder zitterte er und wandte sich an mich.
    »Sag es uns noch einmal«, forderte er mich auf. »Wir müssen die Schiffe vollenden.« Wortlos formte ich noch einmal meine Gedanken. Dann erhoben sich die Alten langsam über das erste Schiff, sie ergriffen einander bei den Händen, bildeten einen Kreis wie eine Gruppe von tanzenden Kindern, lehnten sich vor, dachten den Gedanken, den ich für sie geformt hatte.
    Eine Zeitlang war nur das leise Sausen des kalten Windes zu hören, der an der Spitze des Schiffes
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