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Maerchen Fuer Kinder

Titel: Maerchen Fuer Kinder
Autoren: Hans Christian Andersen
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vernünftige Frau!« sagte die Puppe Bertha. »Ich halte nichts davon, Berge zu bereisen, denn das geht nur hinauf und dann wieder herunter! Nein, wir wollen nach der Sandgrube hinausziehen und im Kohlgarten spazieren!«
    Und dabei blieb es.
     
Sonnabend.
     
    »Bekomme ich nun Geschichten zu hören?« fragte der kleine Friedrich, sobald der Sandmann ihn in den Schlaf gebracht hatte.
    »Diesen Abend haben wir nicht Zeit dazu,« sagte der Sandmann und spannte seinen schönsten Regenschirm über ihn auf. »Betrachte nur die Chinesen!« Der ganze Regenschirm sah aus wie eine große chinesische Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und mit kleinen Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopfe nickten. »Wir müssen die ganze Welt zu morgen schön ausgeputzt haben,« sagte der Sandmann; »es ist ja morgen Sonntag. Ich will die Kirchtürme besuchen, um zu sehen, ob die kleinen Kirchkobolde die Glocken polieren, damit sie hübsch klingen; ich will hinaus auf das Feld gehen und sehen, ob die Winde den Staub von Gras und Blätter blasen, und was die größte Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen, um sie zu polieren. Ich nehme sie in meine Schürze; aber erst muß ein jeder numeriert werden, und die Löcher, worin sie da oben sitzen, müssen auch numeriert werden, damit sie wieder auf den rechten Fleck kommen, sonst würden sie nicht festsitzen und wir würden zu viele Sternschnuppen bekommen, indem der eine nach dem andern herunterpurzeln würde!«
    »Hören Sie, wissen Sie was, Herr Sandmann?« sagte ein altes Bild, welches an der Wand hing, wo Friedrich schlief. »Ich bin Friedrichs Urgroßvater; ich danke Ihnen, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe nicht verdrehen. Die Sterne können nicht heruntergenommen und poliert werden! Die Sterne sind Kugeln, ebenso wie unsere Erde, und das ist gerade das Gute an ihnen.«
    »Ich danke Dir, Du alter Urgroßvater,« sagte der Sandmann, »ich danke Dir! Du bist ja das Haupt der Familie, Du bist das Urhaupt, aber ich bin doch älter als Du! Ich bin ein alter Heide; Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch dahin; ich weiß sowohl mit Geringen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst Du erzählen!« Und da ging der Sandmann und nahm seinen Regenschirm mit.
    »Nun darf man wohl seine Meinung gar nicht mehr sagen!« brummte das Bild.
    Da erwachte Friedrich.
     
Sonntag.
     
    »Guten Abend!« sagte der Sandmann, Friedrich nickte und wandte das Bild des Urgroßvaters gegen die Wand um, damit es nicht, wie gestern, mitspreche.
    »Nun mußt Du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten, und von dem Hahnenfuß, der dem Hühnerfuße den Hof machte, und von der Stopfnadel, die so vornehm that, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!«
    »Man kann auch des Guten zu viel bekommen!« sagte der Sandmann. »Du weißt wohl, daß ich Dir am liebsten etwas zeige! Ich will Dir meinen Bruder zeigen. Er heißt auch Sandmann, aber er kommt zu niemand öfters als einmal, und zu wem er kommt, den nimmt er mit auf sein Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er kennt nur zwei; die eine ist so außerordentlich schön, daß niemand in der Welt sie sich denken kann, und die andere ist so häßlich und greulich – es ist gar nicht zu beschreiben!« Und dann hob der Sandmann den kleinen Friedrich zum Fenster hinauf und sagte: »Da wirst Du meinen Bruder sehen, sie nennen ihn auch den Tod! Siehst Du, er sieht gar nicht so schlimm aus wie in den Bilderbüchern, wo er nur ein Knochengerippe ist! Nein, das ist Silberstickerei, die er auf dem Kleide hat, die schönste Husarenuniform, ein Mantel von schwarzem Sammet fliegt hinten über das Pferd. Sieh, wie er im Galopp reitet!«
    Friedrich sah, wie der Sandmann davon ritt und sowohl junge wie alte Leute auf sein Pferd nahm. Einige setzte er vorn, andere hinten auf, aber immer fragte er erst: »Wie steht es mit dem Zeugnisbuch?« – »Gut!« sagten sie allesamt. »Ja, laßt mich selbst sehen!« sagte er, und sie mußten ihm das Buch zeigen; alle die, welche »Sehr gut« und »Ausgezeichnet gut« hatten, kamen vorn auf das Pferd und bekamen die herrliche Geschichte zu hören; die aber, welche »Ziemlich gut« und »Mittelmäßig« hatten, mußten hinten auf und bekamen die greuliche Geschichte; sie zitterten und weinten, sie wollten vom Pferde springen, konnten es aber nicht, denn sie waren sogleich daran
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