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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
Autoren: Richard Wilhelm
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begann er, »ist reines Schwarz; das zeigt mir, dass Ihr die Weisheit Laotses habt, der sein Dunkel zu wahren weiß. Die Art, wie Ihr Eure Mutter zu füttern wisst, zeigt, dass Ihr an kindlicher Liebe der Fürsorge Meister Dsongs für seine Eltern gleichkommt. Eure Stimme ist rau und stark; das zeigt, dass Ihr den Mut besitzt, mit dem einst König Hiang durch seine bloße Stimme seine Feinde zum Fliehen brachte. Ihr seid wahrhaftig der König der Vögel.«
    Der Rabe hörte es, ward hoch erfreut und sprach: »Bitte sehr, bitte sehr!«
    Aber ehe er sich’s versah, fiel aus dem geöffneten Schnabel das Fleisch zur Erde.
    Der Fuchs fing es auf, fraß es und sagte dann lachend: »Merkt’s Euch, mein Herr: Wenn jemand ohne Ursache Euch Lob entgegenbringt, so hat er sicher eine Absicht.«

14. Warum Hund und Katze einander feind sind
    Ein Mann und eine Frau hatten einen goldenen Ring. Das war ein Glücksring, und wer ihn besaß, hatte immer genug zu leben. Sie wußten es aber nicht und verkauften den Ring für wenig Geld. Kaum war der Ring aus dem Hause, da wurden sie immer ärmer und wußten schließlich nicht mehr, woher sie genug zum Essen nehmen sollten. Sie hatten auch einen Hund und eine Katze, die mussten mit ihnen Hunger leiden. Da ratschlagten die Tiere miteinander, wie sie den Leuten wieder zu ihrem alten Glück verhelfen könnten. Schließlich fand der Hund einen Rat.
    »Sie müssen den Ring wiederhaben«, sagte er zur Katze. Die Katze sprach: »Der Ring ist wohlverwahrt in einem Kasten, wo niemand dazu kann.«
    »Fange du eine Maus«, sagte der Hund. »Die Maus soll den Kasten aufnagen und den Ring herausholen. Sag ihr, wenn sie nicht wolle, so beißest du sie tot, dann wird sie es schon tun.«
    Dieser Rat gefiel der Katze, und sie fing eine Maus. Nun wollte sie mit der Maus zu dem Haus, wo der Kasten stand, und der Hund ging hinterdrein. Da kamen sie an einen großen Fluss. Und weil die Katze nicht schwimmen konnte, nahm sie der Hund auf den Rücken und schwamm mit ihr hinüber. Die Katze trug die Maus zu dem Haus, wo der Kasten stand. Die Maus nagte ein Loch in den Kasten und holte den Ring heraus. Die Katze nahm den Ring ins Maul und kam zurück zu dem Strom, wo der Hund auf sie wartete und mit ihr hinüberschwamm. Dann gingen sie miteinander nach Hause, um den Glücksring ihrem Herrn und ihrer Frau zu bringen. Der Hund konnte aber nur auf der Erde laufen; wenn ein Haus im Wege stand, so musste er immer darum herum. Die Katze aber kletterte hurtig über das Dach, und so kam sie viel früher an als der Hund und brachte den Ring ihrem Herrn.
    Da sagte der Herr zu seiner Frau: »Die Katze ist doch ein gutes Tier, der wollen wir immer zu essen geben und sie pflegen wie unser eigenes Kind.«
    Als nun der Hund zu Hause ankam, da schlugen und schalten sie ihn, weil er nicht auch geholfen habe, den Ring wieder heimzubringen. Die Katze aber saß beim Herd und schnurrte und sagte nichts. Da wurde der Hund böse auf die Katze, weil sie ihn um seinen Lohn betrogen, und wenn er sie sah, jagte er ihr nach und wollte sie packen.
    Seit jenem Tage sind Hund und Katze einander feind.

15. Die Menschwerdung der fünf Alten
    Ehe Himmel und Erde sich getrennt hatten, war alles ein großer Ball von Wasserdunst, der hieß das Chaos. Zu jener Zeit formten sich die Geister der fünf Grundkräfte, und es wurden fünf Alte daraus. Der eine hieß der gelbe Alte, das war der Beherrscher der Erde. Der zweite hieß der rote Herr, das war der Beherrscher des Feuers. Der dritte hieß der dunkle Herr, das war der Beherrscher des Wassers. Der vierte hieß der Holzfürst, das war der Beherrscher des Holzes. Die fünfte hieß die Metallmutter, das war die Beherrscherin der Metalle. Diese fünf Alten setzten alle ihren Urgeist in Bewegung, so dass Wasser und Erde nach unten sanken. Der Himmel schwebte in die Höhe, und die Erde wurde fest in der Tiefe. Dann ließen sie die Wasser sich sammeln in Flüssen und Meeren, und Berge und Ebenen tauchten hervor. Also öffnete sich der Himmel, und die Erde teilte sich. Da gab es Sonne, Mond und alle Sterne, Wind, Wolken, Regen und Tau. Der gelbe Alte ließ der Erde reinste Kraft kreisen und fügte des Feuers und Wassers Wirkungen hinzu. Da sprossten hervor Gräser und Bäume, Vögel und Tiere und die Geschlechter der Schlangen und Kerfe, der Fische und Schildkröten. Der Holzfürst und die Metallmutter vereinigten das Lichte und das Trübe und schufen dadurch das Menschengeschlecht als Männer und
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