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Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi

Titel: Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Eva Ehley
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Anblick über den Täter aus? Irgendjemand hat sich in der vergangenen Nacht die Zeit genommen, den toten Körper sorgfältig hier zu arrangieren. Es hätte auf der Insel weiß Gott genug abgelegene Plätze gegeben, um die Leiche zu verbergen. Doch darum ist es dem Täter ganz augenscheinlich nicht gegangen. Hier sollte ein Mensch ausgestellt werden. Oder ein Prinzip. Schönheit und Sünde, das sind die beiden Begriffe, die dem Oberkommissar spontan zu dieser Inszenierung einfallen, und er würde sich sehr wundern, wenn er mit dieser Assoziation falsch liegen sollte.
    Langsam steigt Winterberg die Stufen zum Strand hinunter, wo nach wenigen Sekunden Bastian Kreuzer auf ihn aufmerksam wird, sein Freund, Kollege und Vorgesetzter, und das genau in dieser Reihenfolge, wie beide gern zu witzeln pflegen.
    »Moin, moin, bist du deinen beiden Damen doch noch entkommen? Ich dachte schon, das wird heute nichts mehr.«
    »Na, so spät bin ich nun auch nicht dran. Ich hab eine Weile oben gestanden und die Szene auf mich wirken lassen.«
    »Hat was Obszönes, oder?«
    »Das kannst du laut sagen.«
    »Die Frau ist erwürgt worden, das steht schon mal fest. Aber wahrscheinlich war sie vorher baden und das vermutlich nicht allein. Körper und Haare sind voller getrockneter Salzspuren. Ob sie Geschlechtsverkehr hatte, wissen wir noch nicht. Verletzungen gibt es jedenfalls keine.«
    »Habt ihr die Identität schon festgestellt?«
    »Keine Chance. Von Kleidung und Papieren fehlt jede Spur. Nur die schicken Schuhe hat man ihr gelassen.«
    »Sieht nicht unbedingt so aus, als sei sie zu einem Strandspaziergang verabredet gewesen«, entgegnet Sven mit einem Blick auf die knallroten High Heels.
    »Oder der Täter hat die Schuhe mitgebracht, um sein Bild zu vervollkommnen.«
    »Und wie nennen wir das Bild? Tote Unschuld am Strand?«
    »Wohl kaum. Wie wär’s mit: Nackte Sünde im Sand?«
    »Klingt besser. Aber eigentlich sollten wir Silja fragen.«
    »Wegen ihrer Kunstgeschichts-Eskapade?«
    »Lass dich nicht von ihr dabei erwischen, dass du ihr Studium so abtust.«
    »Für mich ist sie immer noch in erster Linie Kriminalkommissarin«, gibt Bastian missgelaunt zurück.
    »Jaja, schon gut, ich wollte dich nicht provozieren.«
    Während ihrer Unterhaltung sind die beiden Kommissare näher an die Leiche herangetreten. Jetzt kann Sven kleine Unebenheiten in der Gesichtshaut erkennen, die ein wenig wie Spuren einer schlecht verheilten Akne wirken, die aber auch von den ersten Fliegenbissen herrühren können. Mit einer entschlossenen Handbewegung verscheucht Sven die Insekten, auch wenn er genau weiß, dass niemand den zügigen Verfall dieser Schönheit wird aufhalten können. Im Tod werden alte und junge, attraktive und weniger attraktive Menschen sich in rasender Geschwindigkeit ähnlich, ein Prozess, der vielleicht sogar etwas Tröstliches hat.
    Entschieden reißt sich Sven von den metaphysischen Gedanken los und sagt leise: »Wenn wir ein Foto von diesem Gesicht an die Presse geben, dann wissen wir sofort, um wen es sich handelt. Wenn du diese Frau einmal gesehen hast, vergisst du sie nicht so schnell.«
    »Wohl wahr. Allerdings sollten wir vorher prüfen, ob sie nicht schon vermisst wird. Wenn dir diese Frau plötzlich fehlt, dann merkst du das nämlich auch ziemlich schnell.«
    Sven wirft dem Kollegen einen kurzen Blick zu. Diese Sorte von Gesprächsanfängen kennt er zur Genüge. Für gewöhnlich leiten sie eine Erörterung der gescheiterten Beziehung Bastians zur Kollegin Silja Blanck ein. Doch jetzt scheint der Hauptkommissar anderes im Sinn zu haben.
    »Ich rede noch mal mit dem Rechtsmediziner, und dann fahren wir zurück ins Büro und gehen die Vermisstenanzeigen durch.«
    »Irgendwelche Zeugen?«, will Sven wissen.
    »Gibt es offenbar nicht. Der Jogger, der sie gefunden hat, hat sonst nichts und niemanden beobachtet. Und mit Spuren sieht es auch ganz schlecht aus. Der Jogger ist erst nach dem Regenguss losgelaufen. Da war natürlich auf dem Strand schon alles eingeebnet.«
    Sven nickt, kann sich dann aber eine letzte Frage nicht verkneifen.
    »Was glaubst du? Wird das eine harte Nuss oder eher ein Routinefall?«
    Hauptkommissar Bastian Kreuzer schweigt einen Moment nachdenklich, dann antwortet er entschieden: »Das wird alles, nur kein Mittelmaß. Entweder wir haben diesen kranken Typen sofort, oder wir beißen uns die Zähne aus.«
    »Und wenn es der Anfang einer Serie ist?«
    »Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand.«
    »Muss ich
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