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Maechtiger Samstag

Maechtiger Samstag

Titel: Maechtiger Samstag
Autoren: Garth Nix
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Gleichtakt.«
    Samstag zögerte und wog die Situation ab. Die Übereinkunft zwischen den Treuhändern war de facto gebrochen, aber der Vertrag existierte noch, und falls sie oder ihre Vertreter außerhalb der ihnen zugeteilten Zeitspanne in den Sekundären Reichen agierten, konnte das zauberische Verwicklungen heraufbeschwören.
    »Dann soll Pravuil zuschlagen, wenn der zwölfte Glockenschlag zu Mitternacht verklingt«, wies sie Abenddämmerung an, »in der ersten Sekunde des Samstags. Nicht später! Kümmert Euch sofort darum!«
    »Jawohl, Majestät«, erwiderte der neue Abenddämmerung. Nach einer eleganten Verneigung zog er sich zu der silbernen Wendeltreppe zurück, die zu dem Schreibpultwürfel unmittelbar unter dem Aussichtszimmer führte.
    Sobald er fort war, zog es Samstags Augen zum Himmel und den sich teilenden Wolken, um einen weiteren aufreizenden, aber unwiderstehlichen Blick auf die Unterseite der Unvergleichlichen Gärten zu erhaschen.

KAPITEL EINS

    D
    raußen vor der kleinen Privatklinik war alles dunkel; es brannten keine Straßenlaternen, und die Häuser auf der andern Straßenseite waren fest verschlossen. Nur ganz schwache Lichtstreifen um einige Fenster deuteten darauf hin, dass sich im Innern wahrscheinlich Menschen aufhielten und dass die Stadt noch Strom hatte. Am Himmel leuchtete auch etwas, nadelstichgroße rote Punkte. Das waren die Positionslichter der Hubschrauber, die hoch oben kreisten. Ab und zu huschte ein Scheinwerferkegel von dort über den Boden, dem gleich darauf das scharfe Rattern von Maschinengewehrfeuer folgte.
    Das leere Schwimmbecken im Innern des Krankenhauses wurde plötzlich von einem Lichtblitz erhellt. Der gleichzeitige Donnerschlag, der sämtliche Fenster klirren ließ, übertönte kurz den Lärm der Helikopter und Gewehre. Als das Licht des Blitzes langsam verblasste, hallte ein schleppender Trommelschlag durch die Flure.
    In der Pforte sah eine müde Frau in zerknitterter blauer Krankenhauskleidung von dem Bildschirm weg, über den die jüngsten, sehr schlechten Nachrichten flimmerten, und sprang auf, um die Flurbeleuchtung anzuknipsen. Dann schnappte sie sich ihren Wischmopp und ihren Eimer und lief los. Der Donnerschlag und das Trommeln kündigten die Ankunft Doktor Freitags an, und Doktor Freitag wollte immer, dass die Fußböden vor ihr gewischt wurden, damit sie in dem frisch glänzenden Linoleum ihr Spiegelbild sehen konnte.
    Die Putzfrau hastete durch die Stationen und schaltete unterwegs die Lichter ein. Kurz vor dem Raum mit dem Schwimmbecken sah sie auf die Uhr: 11.15, Freitagabend. Doktor Freitag war noch nie so spät gekommen, aber ihre Diener taten es bisweilen. So oder so, der Putzfrau war es nicht erlaubt zu gehen, bis der Tag ganz zu Ende war. Nicht dass sie irgendwohin gekonnt hätte, jetzt, wo die neue Quarantäne in Kraft war und die Hubschrauber auf jeden schössen, der sich auf die Straße hinauswagte. Die Nachrichten waren zurzeit voll mit Spekulationen über die ›Ultima-Ratio-Lösung‹ für den ›Seuchenherd‹ in der Stadt.
    Vor dem Schwimmbeckenraum hielt die Putzfrau an und holte tief Luft. Dann senkte sie den Kopf, tunkte ihren Wischmopp ein und schob ihn und den Eimer durch die Tür, griff ohne hinzuschauen mit der freien Hand nach oben und schaltete das Licht an, wie sie es schon so oft getan hatte, an so vielen Freitagen in der Vergangenheit. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, nicht aufzusehen, denn sonst könnte sie Freitags Blick begegnen oder von ihrem Spiegel geblendet werden.
    Aber es waren weder Freitag noch ihre Diener, die durch das dunkle Portal in dem leeren Schwimmbecken kamen.
    Die Putzfrau starrte auf die nackten Füße der Ankömmlinge und ihre blauen Krankenhausnachthemden. Sie ließ ihren Wischmopp fallen und stieß einen Schrei aus.
    »Sie kommen zurück! Aber sie kommen doch nie zurück!«
    Die Schläfer, die sie erst an diesem Morgen das Schwimmbecken hatte betreten sehen, angeführt von Doktor Freitag persönlich, schlurften die Rampe hoch, die Arme vor sich ausgestreckt in der klassischen Pose von Schlafwandlern, die man so oft in Filmen sah.
    Aber dieses Mal war Doktor Freitag nicht da und ebenso wenig einer ihrer lächerlich großen, gut aussehenden Assistenten.
    Dann sah die Putzfrau das Mädchen, das, welches heute Morgen wach gewesen war. Die Kleine führte die vorderste Schläferin in der Reihe und lenkte sie zur Mitte der Rampe. Die Schläfer waren weder so fügsam wie am Morgen, noch schliefen sie
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