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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Autoren: Gustave Flaubert
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Baum. Er lief los und stellte sich auf den Weg; er wartete. Eine halbe Stunde verging, dann zählte er neunzehn Minuten auf seiner Uhr. Plötzlich rumpelte etwas an der Mauer; der Fensterladen war aufgesprungen, der Haken zitterte noch.
    Am nächsten Morgen gegen neun war er auf dem Hof. Emma errötete, als er eintrat, und bemühte sich, ein wenig zu lachen, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Vater Rouault umarmte seinen zukünftigen Schwiegersohn. Über Geldangelegenheiten zu reden wurde aufgeschoben; man hatte ja auch genügend Zeit vor sich, denn die Eheschließung konnte anstandshalber nicht vor Ablauf von Charles’ Trauerzeit stattfinden, also im Frühling des kommenden Jahres.
    Der Winter verging also mit Warten. Mademoiselle Rouault kümmerte sich um ihre Aussteuer. Ein Teil wurde in Rouen bestellt, und sie schneiderte sich Nachthemden und Häubchen anhand von Modezeichnungen, die sie ausborgte. Bei den Besuchen, die Charles auf dem Hof machte, sprach man von den Hochzeitsvorbereitungen; man fragte sich, an welchem Ort das Diner abgehalten werden sollte; man grübelte über die Anzahl der Gänge, die nötig waren, und über die Art der Vorspeisen.
    Emma ihrerseits hätte gern um Mitternacht geheiratet, im Fackelschein; doch Vater Rouault war dieser Einfall unbegreiflich. Es gab also eine Hochzeit, zu der dreiundvierzig Personen kamen, bei der man sechzehn Stunden tafelte, die am nächsten Tag weiterging und ein bisschen noch an den darauf folgenden.

    Anmerkungen

IV.

    Die Gäste kamen früh am Morgen, in Kutschen, einspännigen Karriolen, zweirädrigen Fuhrwerken mit Bänken, alten Kabrioletts ohne Verdeck, Möbelwagen mit Ledervorhängen, und die jungen Leute aus den nächstgelegenen Dörfern in Karren, auf denen sie in einer Reihe standen, sich an den Seitenwänden festhaltend, um nicht zu fallen, in flottem Trab und kräftig durchgerüttelt. Manche reisten aus zehn Meilen Entfernung an, aus Goderville, aus Normanville und aus Cany. Man hatte alle Verwandten aus beiden Familien eingeladen, man hatte sich mit verkrachten Freunden ausgesöhnt, man hatte an längst aus den Augen verlorene Bekannte geschrieben.
    Hin und wieder hörte man hinter der Hecke einen Peitschenknall; kurz darauf öffnete sich das Gatter: eine Karriole fuhr herein. Sie galoppierte bis zur ersten Stufe der Außentreppe, hielt abrupt und entlud ihre Menschenfracht, die von allen Seiten herabstieg, sich die Knie rieb und die Arme streckte. Die Damen, mit Hauben, trugen Kleider nach städtischer Fasson, goldene Uhrketten, Pelerinen, deren überkreuzte Zipfel im Rockbund steckten, oder kleine, bunte Fichus, die im Rücken mit einer Nadel festgehalten wurden und den Nacken entblößten. Die Buben, ebenso gewandet wie ihre Papas, schienen sich in ihrer neuen Kleidung unwohl zu fühlen (viele trugen an diesem Tag sogar das erste Paar Stiefel ihres Lebens), und neben ihnen sah man, keinen Laut von sich gebend in dem weißen Erstkommunionskleid, das für den Anlass länger gemacht worden war, irgendein großes Mädchen von vierzehn oder sechzehn Jahren, sicher ihre Cousine oder ihre ältere Schwester, rotgesichtig, verstört, das Haar fettglänzend von Rosenpomade und in ständiger Angst, die Handschuhe könnten schmutzig werden. Da nicht genug Pferdeknechte zur Stelle waren, um alle Wagen auszuspannen, krempelten die Herren ihre Ärmel hoch und machten sich selbst ans Werk. Je nach gesellschaftlicher Stellung trugen sie Fräcke, Gehröcke, Jacken, Joppen: – gute Fräcke, die von der ganzen Hochachtung einer Familie umhegt und nur für Feierlichkeiten aus dem Schrank geholt wurden; Gehröcke mit großen, im Winde flatternden Schößen, zylinderförmigen Kragen, Taschen so breit wie Säcke; Jacken aus grobem Tuch, die gewöhnlich eine Mütze mit messingumrandetem Schirm begleiteten; sehr kurze Joppen, die im Rücken zwei so dicht wie ein Augenpaar nebeneinanderliegende Knöpfe besaßen und deren Schoßteile aussahen, als wären sie vom Beil des Zimmermanns aus einem einzigen Block herausgehauen. Andere wiederum (aber die mussten natürlich am untersten Tischende speisen) hatten Festtagskittel, also mit einem Kragen, der über die Schultern heruntergeschlagen war, mit feingefälteltem Rücken und sehr tief sitzender, im Bund geraffter Taille.
    Und die Hemden wölbten sich über den Brustkörben wie Harnische! Alle waren frisch geschoren, die Ohren standen ab von den Köpfen, man war glattrasiert; manch einer, der vor Tagesanbruch
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