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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten
Autoren: Marcel Feige
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scheint.«
    »Wenn der Bischof davon erfährt…«
    »Der Bischof wird gar nichts mehr erfahren.«
    »Was soll das heißen?«
    Lacie wuchs noch einige Zentimeter in die Höhe. »Er ist in Ungnade gefallen.«
    Cato konnte nicht glauben, was er hörte. »Ganz sicher nicht.« Das Narbengesicht wollte ihn nur austricksen. Oder sagte er die Wahrheit? In seiner Stimme lag so viel Überzeugung, dass es Cato zutiefst erschütterte.
    »Sie glauben mir nicht, oder?«, mutmaßte Lacie.
    »Wieso sollte ich?«, entgegnete Cato und ärgerte sich, dass er so leise sprach.
    »Rufen Sie den Bischof an!«
    Cato bewegte sich nicht. Sein Schädel pochte. Die Augen tränten. Seine Nase tropfte schon wieder.
    »Verdammt, rufen Sie schon an!«
    Zögernd drückte Cato die Wahlwiederholung seines Handys. Es dauerte lange, bis jemand abnahm. Das alleine reichte, um das mulmige Gefühl in seiner Magengegend zu verstärken. Es war nicht der Bischof, der sich schließlich meldete.
    »Wer ist da?«, fragte Cato unumwunden.
    »Hier ist Armand van Loyen, der persönliche Sekretär des Bischofs.«
    »Wo ist der Bischof?«
    Van Loyen reagierte nicht. Vielleicht hatte er Cato nicht verstanden. Dieser wiederholte, jetzt lauter: »Geben Sie mir den Bischof!«
    »Cato, sind Sie das?«
    Cato erstarrte wie vom Blitz getroffen. »Woher…?« Er verstummte. Etwas hat sich verändert. Beatrice hatte recht. Und wie um diesen Gedanken zu bekräftigen, sagte van Loyen: »Hören Sie, Cato, der Bischof ist tot.«
    »Tot?«, wiederholte Cato mechanisch.
    »Ja«, bestätigte van Loyen. »Und für Sie, Cato, gibt es nichts mehr zu tun. Haben Sie verstanden?«
    Cato legte auf. Lacie lächelte ihn höhnisch an. Cato spürte, wie auch die letzte Prise Kraft, die in seinen alten Gliedern steckte, schwand. Es war vorbei. Er hatte verloren. Wie zur Bestätigung sagte Lacie: »Das Offizium hat einen neuen Vorsitzenden, Boris Garnier. Sie kennen ihn, oder?«
    O ja, Cato kannte ihn. Der Bischof hatte ihm mehrfach von ihm erzählt. Als Präfekt der Kongregation ein Hardliner und im Offizium zuletzt de Gussas ärgster Widersacher. Vermutlich stand Lacie schon seit längerer Zeit in seiner Gunst. Aber wen interessierte das jetzt noch?
    Cato schaute das Mädchen an. Er warf noch einmal einen Blick zu ihrem Bruder. Kein Zweifel, es ist zu spät. Es gab nichts, was er noch tun konnte. Er war zu alt für diesen Job. Ein Gedanke, der jetzt zur Gewissheit wurde. Langsam wandte er sich ab.
    »Cato!«, rief Beatrice ihm hinterher.
    Doch Cato verschwand, hinterließ ein letztes Niesen. Er hörte, wie Lacie sagte: »Der hilft Ihnen nicht mehr.« Lacie lachte. »Und jetzt wollen wir sehen, was in dem Koffer ist.«
     
     
    Berlin
     
    »Was soll das?« Von Lacies gerade noch zur Schau gestellter Selbstsicherheit war nichts geblieben.
    Philip schreckte aus seinem Dämmerzustand auf. Mit Mühe hob er die Augenlider. Er sah, wie das Narbengesicht wie verrückt Wäsche aus dem Koffer klaubte: Blusen, einen Rock. Slips. Einen BH. Die pinkfarbene Uniform einer Stewardess. Keine Bombe. Nicht mal die Zutaten eines explosiven Gemischs. Erst recht kein Achat.
    »Was, zur Hölle, ist das?«, fluchte Lacie, in der einen Hand einen schlichten Büstenhalter, in der anderen ein Paar schwarze Strümpfe.
    Jetzt erkannte Philip die Wahrheit. Natürlich, es hätte vorhin eine Übergabe vor den Schaltern von Germanwings stattfinden sollen. Doch in Wahrheit war er zu spät gekommen. Der Attentäter hatte seine verhängnisvolle Fracht bereits an die Stewardess übergeben.
    Benommen bemerkte Philip, wie der andere wieder neben ihm stand. Er nickte wissend. Glaubst du, du kannst alle Seelen retten?!
    Die Schmerzen in Philips Bauchgegend wurden übermächtig. Sie strahlten hinauf bis in seine Brust, pressten ihm die Rippen zusammen, raubten ihm den Atem. Er hustete. Schleim löste sich in seinem Hals. Er spuckte ihn aus. Es war Blut. Ein wirres rotes Muster sprenkelte den weißen Schnee.
    In den Augen des anderen schwammen Tränen. Aber da war noch etwas anderes. Jetzt, als der Schmerz ihn allmählich lähmte, ihm die Chance nahm, dagegen aufzubegehren, durchschaute Philip, was der andere ihm verschwiegen hatte: Er war nicht gekommen, um zu retten. Er war gekommen, um zu töten.
    Philip erinnerte sich an das, was der andere über seine Flucht über die Startbahn vor zwanzig Jahren erzählt hatte. Auf und davon! Ja,er war geflohen, seinen Verfolgern entkommen und hatte gelebt, bis heute. Die Geschichte wiederholt
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