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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Netenjakob
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Heiratet die Frau, mit der ich mein Leben verbringen wollte, und kommt dann mit einer verdammten Udo-Lindenberg-Imitation in mein Zimmer, als wäre nichts gewesen. Mordgedanken schießen durch meinen wummernden Schädel. Ich schaue Mark fassungslos an.
    »Äh, Daniel, ist alles in Ordnung? Was, äh ... ist irgendwas?«
    »Ist irgendwas? IST IRGENDWAS??? Du hast Nerven!«
    »Wieso? Ich verstehe nicht...«
    »Ich hab dich gesehen! Dich und ... Ich hab euch gesehen. Im Palmengarten... Ich...«
    Ich schnaube vor Wut. Und was macht Mark? Er lacht. Er lacht mich tatsächlich aus. Keine Spur von Reue – im Gegenteil: der blanke Hohn.
    »O Mann, Daniel, das ist wieder typisch. Wir haben Fotos für die neue Hotel-Website gemacht.«
    »Für die Website?«
    »Ja. Die Hochzeitssuite ist neu, und der Hotelbesitzer hat Aylin und mich gefragt, ob wir als Hochzeitspaar posieren können.«
    »Das heißt... Ihr habt nicht...«
    »Du hast wirklich gedacht, wir haben geheiratet??? Daniel, hallo!!! Ich bin dein Freund, schon vergessen?«
    Langsam kommt die Botschaft in meinem Gehirn an. Ich springe mit einer Mischung aus Freude und Erleichterung aus dem Bett und falle Mark um den Hals. Ich umarme ihn. Fest. Innig. Tränen der Erleichterung rollen aus meinen Augen. Moment mal – ich umarme gerade meinen besten Freund fest und innig und habe keine homophobe Angstattacke. Ich weine und fühle mich trotzdem nicht als Weichei. Ich bin verwirrt. Vielleicht geht es gar nicht darum, besonders männlich zu sein. Vielleicht geht es im Leben um etwas ganz anderes. Vielleicht geht es um ... Liebe?!
    »Dübndüdüüüüü.«
    Die Erkenntnis, dass es im Leben um Liebe geht, war in diesem Moment so überwältigend, dass ich sie spontan mit einer Udo-Lindenberg-Imitation kontrastieren musste. Aber jetzt muss ich zu Aylin. Schnell.
    »Mark, wo ist Aylin?«
    »Beim Kinder-Karaoke.«
    Ich laufe die Treppen hinunter, am Pool vorbei, lasse die Hochzeitssuite links liegen und erreiche das Amphitheater, auf dessen Bühne sich Aylin mit gut 20 Kids versammelt hat. Im Publikum sitzen etwa genauso viele Eltern. Gerade singt ein etwa achtjähriges Mädchen so unfassbar schief »Biene Maja«, dass selbst die wohlmeinenden Eltern schmerzvoll die Gesichter verziehen. Ich schleiche mich langsam nach vorne. Als das Lied zu Ende ist, applaudieren die Eltern, und Aylin nimmt das Mädchen an die Hand zum Verbeugen. In diesem Moment husche ich auf die Bühne. Im Menü der Karaoke-Anlage stehen folgende Titel zur Auswahl:
    • Biene Maja
    • Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann
    • Alle Vöglein sind schon da
    • Ein Männlein steht im Walde
    • Wischi Wischi Waschi
    • Das Lied der Schlümpfe
    • Winter adé
    • Schneeflöckchen Weißröckchen
    • Das Lied vom Wackelpudding
    • Es klappert die Mühle am rauschenden Bach
    Ich entscheide mich spontan für das Lied der Schlümpfe. Als die ersten Klänge ertönen, dreht sich Aylin überrascht um. Wir sehen uns an. Ich kann ihren Blick nicht deuten. Ich kann mich auch nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren. Jetzt muss ich einen romantischen Text improvisieren. Auf das Lied der Schlümpfe. Vielleicht hätte ich die Aktion doch besser planen sollen. Zu spät. Mein Einsatz kommt.
    Sag mal, wo kommst du denn her?
    Mit dem Flieger aus Hamburg bitte sehr.
    Ich singe die Fragen tief wie Vater Abraham und die Antworten hoch wie die Schlümpfe. Das ist nicht romantisch. Aber es geht bei diesem Lied einfach nicht anders. Als ich auf die Bühne gegangen bin, hatte ich so eine Szene im Kopf wie im Film »Mitten ins Herz«: Hugh Grant sitzt im ausverkauften Madison Square Garden am Flügel und entschuldigt sich mit einer ergreifenden Ballade so herzzerreißend bei Drew Barrymore, dass ihr am Ende die Tränen in die Augen steigen, während das Publikum nach einer pathetischen Pause geschlossen aufsteht und in frenetischen Jubel ausbricht. Diese Szene hatte ich im Kopf, und jetzt stehe ich mit einem Billig-Mikro vor einem alten Fernseher und imitiere kleine blaue Zwerge mit albernen weißen Mützen, während ein hüpfendes Clownsgesicht mir die Noten anzeigt und sich im Publikum knapp 20 Proleten in Badelatschen fragen, was zum Teufel ich da überhaupt will... Egal. Jetzt hab ich das angefangen, jetzt ziehe ich das durch.
    Was willst du in Antalya?
    Aylin sagen, dass ich ein Blödmann war.
    Was glaubst du, hast du falsch gemacht?
    Ich habe einfach nicht nachgedacht.
    Tut dir jetzt alles schrecklich leid?
    Ja, mir tut alles
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