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Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger

Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger

Titel: Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger
Autoren: Dan Shocker
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konnte
sie erkennen, daß er sich langsam im Kreis zu drehen begann.
Dabei verschwand immer mehr sein Oberkörper in den Fluten.
    Die Spanne, die sie noch von ihm trennte, wurde merklich kleiner.
Fiebernd wartete das Mädchen darauf, direkt neben dem Mann zu
sein, um die Motoren zu stoppen und ihn an Bord zu holen.
    Plötzlich stiegen Blasen auf. Sie zerplatzten gerade dort an
der Oberfläche, wo sich Jacques einem imaginären Sog
entgegenzustemmen schien.
    Christine schrie auf.
    Das Kreiseln, dem der Franzose unterlag, gewann nicht mehr an
Schnelligkeit. Dafür begann er sich nun von ihr zu
entfernen.
    Christine tat etwas, was sie nie hätte tun dürfen. Sie
hob die Drosselung des Motors auf und beschleunigte. Im Nu hatte sie
ihren Freund wieder eingeholt.
    Doch es bot sich ihr keine Gelegenheit, den schwimmenden Mann zu
bergen. Der Sog, dem er ausgesetzt war, hatte eine solche Stärke
erreicht, daß Christine genug damit zu tun hatte, auf Kurs zu
bleiben.
    »Christine…«, hörte sie Estrelles leise
Stimme. Sie klang matt.
    »Ja, Jacques, ja! Ich bin bei dir!«
    Estrelle antwortete nicht.
    Ein kurzer Blick über die Reling bestätigte der
Französin, daß ihr Freund noch bei Besinnung war. Seine
Abwehrbewegungen hatten jedoch nachgelassen.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Mit zitternden Händen
stand sie am Steuer und versuchte diesem Grauen ein Ende zu
machen.
    ›Ich muß alles auf eine Karte setzen!‹
überlegte sie sich.
    Sie erhöhte die Umdrehungsgeschwindigkeit des kleinen Motors
und überholte Estrelle. Als sie die Jacht zwanzig Meter in die
Richtung geführt hatte, in die vermutlich auch Jacques gezerrt
werden würde, stoppte sie.
    »Christine! Christine, hilf mir…!« rief hinter ihr
Estrelle. »Du darfst mich nicht im Stich lassen!«
    Es schmerzte sie, in Jacques den Verdacht gesät zu haben,
daß sie ihn im Stich lassen wollte. Sie verzichtete auf eine
Erwiderung und bereitete sich darauf vor, im richtigen Moment
einzugreifen.
    Es dauerte nicht lange, und der Körper des Meeresforschers
befand sich knapp in Höhe des Schiffshecks. Bald würde er
die Stelle passieren, an der sich Christine Olivier befand. Sie war
über die Reling geklettert und hielt sich mit einer Hand an der
Strickleiter fest. Mit der anderen gedachte sie, ihren Freund beim
Vorübertreiben aufzuhalten und an Bord zu hieven.
    »Gib mir die Hand, Jacques!« zischte die Französin
zwischen den Zähnen.
    Ihre Kleidung war völlig durchnäßt und hing schwer
an ihrem wohlgeformten Körper. Mit aller Konzentration, die
Estrelle aufbringen konnte, hob er den Arm der Freundin entgegen.
    Als Christine nach ihm greifen wollte, ging ein Ruck durch
Estrelles Körper. Die Französin schrie auf.
    Ein-, zweimal versuchte sie den Griff zu festigen, den sie um den
rechten Arm ihres Freundes gelegt hatte, dann entglitt er ihr
völlig.
    Ein angstvolles »Chris…«, kam noch über
Jacques’ Lippen. Im nächsten Moment hatte ihn der Sog weit
vor die weiße Jacht gezerrt.
    Doch der Meeresforscher gab nicht auf.
    Instinktiv griff er nach der Brille, die er bislang nicht
aufsetzen konnte, und schob sie über das Gesicht. Er hätte
nicht zu sagen vermocht, was ihn zu dieser Handlung trieb, aber
augenblicklich fühlte er sich wohler.
    Sein Körper hatte die kreisenden Bewegungen wieder
aufgenommen. Durch das dicke Glas seiner Taucherbrille konnte er
ungefährdet sehen.
    Immer wieder um sich selbst gewirbelt, erkannte Jacques Estrelle
graubraune Erhebungen, die stark zu der Bläue des Meeres
kontrastierten.
    Dem Franzosen blieb keine Zeit, sich das Bild einzuprägen.
Aber er spürte deutlich, wie er sich diesen Erhebungen immer
mehr näherte.
    Endlich war er ihnen so nahe, daß er sie identifizieren
konnte. Die weiße Jacht mit seiner Freundin an Bord hatte er
weit hinter sich gelassen. Er hörte nicht mehr ihre
verzweifelten Schreie. Seine getrübten Sinne waren ganz auf das
Geschehen konzentriert, dem er ausgesetzt war.
    Nun wußte er, was für sonderbare Gebilde es waren, die
man aus der Ferne nur als graubraune Erhebungen erkennen konnte.
    Es waren kuppelförmige Ruinen!
    Weit und breit bildeten sie die einzigen Bezugspunkte. Sonst
konnte Estrelle rings um sich her nur Wasser erkennen. Tiefblaues
Wasser, das mit gierigen Klauen nach ihm zu greifen schien.
    Plötzlich stand es phosphoreszierend in Jacques’
Gedanken.
    Er stellte es sich nicht nur vor. Das Wasser griff wirklich nach
ihm! Die ganze Zeit über hatte es das getan, aber nun wurde es
ihm
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