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Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Titel: Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
Autoren: Lisa Unger
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eines Zettels, den ihre Freundin ihr im Unterricht zugesteckt hatte. Sie spielte nur, auch wenn der Fremde ihr tatsächlich irgendwie bekannt vorkam. Kein Wunder – er hatte Lydia und ihre Mutter monatelang ausspioniert.
    Bei der Tatortbegehung hatte sie den Detectives auch erzählt, dass ein Ohrring ihrer Mutter fehlte. Nicht von dem Paar, das Marion bei ihrem Tod getragen hatte, sondern aus der Schmuckkiste. Ein Granatstecker, den Lydia sich am Vortag heimlich ausgeborgt und vorsichtig in den Schmuckkoffer zurückgelegt hatte.
    »Sie ist ein Naturtalent«, hatte Dooley zerknirscht gesagt.
    Stunden später hatten sie den Fahrzeughalter ermittelt: Jed McIntyre, einen freiberuflichen Ingenieur aus Nyack, New York. Als die Polizei seine Wohnung stürmte, saß er in Unterwäsche und mit einem Bier in der Hand vor dem Fernseher. Lächelnd ließ er sich abführen.
    »Ihr Idioten«, sagte er immer wieder, »ihr Idioten.«
    Bei der Hausdurchsuchung fand man dreizehn Fotoalben mit Bildern der Opfer, dazu einen großen Schmuckkoffer mit zwanzig kleinen, mit Samt ausgeschlagenen Fächern. In dreizehn lag jeweils ein Ohrring wie eine winzige, funkelnde Trophäe.
    Eine Woche später identifizierte Lydia Jed McIntyre bei der Gegenüberstellung, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie wirkte ruhig, war aber in Wahrheit kurz davor, den Verstand zu verlieren. Jeffrey machte sich Sorgen um sie. Er nahm sie mit in sein Büro, um ihr die Begegnung mit dem Rudel von Reportern zu ersparen, die sie auf Schritt und Tritt verfolgten.
    »Ich muss allein sein«, sagte sie, »nur ganz kurz.«
    Als er hinausgegangen war und am Ende des Korridors stand, ging ihm ihr Schrei, den er bis heute nicht vergessen konnte, durch Mark und Bein. Er rannte in sein Büro zurück, wo Lydia schluchzend am Boden kauerte. Er ging auf die Knie, nahm sie in die Arme und wiegte sie, bis sie sich beruhigt hatte. Sie war starr vor Angst und vor Trauer, und sie weinte nach ihrer Mutter.
    Manchmal, wenn er beim Abendessen oder bei der Arbeit in ihre grauen Augen sah, erinnerte er sich an jenen Moment. Dann dachte er an ihr zartes, von der Anstrengung verzerrtes Gesicht. Ihre Augen waren damals halb geschlossen gewesen, sie hatte kaum geblinzelt. Man hätte sie für Reptilienaugen halten können, hätten sie nicht so hellwach geleuchtet. Für eine Heranwachsende hatte Lydia seltsam gefasst und reif gewirkt. Während der Befragung zitterte ihre Stimme nicht, auch wenn sie jeden Blickkontakt vermied. Sie saß neben ihrem Großvater, der einen Arm um sie gelegt hatte und stumm vor sich hinweinte.
    Inzwischen war eine erfolgreiche und preisgekrönte Journalistin und Autorin aus ihr geworden. Manchmal arbeitete sie sogar für Jeffreys Firma. Trotzdem spürte er bis heute, welche Dämonen sie verfolgten. Er sah das kleine Mädchen in ihr, das sein Trauma nie wirklich überwunden hatte und sich im Unbewussten der erwachsenen Frau versteckte. Er wusste, eines Tages würde es aufbegehren und wieder zum Vorschein kommen. Er hoffte nur, dass er dann in der Nähe war.
    Seit Wochen versuchte er, Lydia über Handy oder in ihrem Apartment an der Upper West Side zu erreichen. Der Telefonanschluss in ihrem Haus in der Nähe von Santa Fe schien nicht mehr zu funktionieren. Jeff wunderte sich nicht darüber, da Lydia ihre Rufnummern häufig wechselte. Wenn er gewollt hätte, hätte er sie aufstöbern können, doch er stellte ihr nicht nach. Er wollte ihr die Möglichkeit lassen, freiwillig zu ihm zu kommen.
    Vor fünf Jahren hatte er beim FBI gekündigt, um zusammen mit zwei Exkollegen ein eigenes Ermittlerteam zu gründen. Die Privatdetektei Mark, Hanley und Striker residierte zunächst in einer Einzimmerwohnung im East Village. Angefangen hatten sie mit einem Telefon, einem Computer, einem guten Draht zum FBI und ein paar Informanten draußen auf der Straße, doch im Laufe der Jahre hatten Jeff Mark, Jacob Hanley und Christian Striker die Firma zu dem gemacht, was sie heute war: großzügige Räumlichkeiten im Obergeschoss eines Wolkenkratzers in der 57. Straße, über hundert Angestellte und ein Jahresumsatz, von dem Jeff zu Beginn nicht zu träumen gewagt hätte. Anfangs hatten sie jene traurigen Fälle übernommen, die kein anderer wollte und die die Polizei für aussichtslos hielt: Kindesentführungen, Sozialbetrug. Hanley hatte ein gutes Gespür für vermisste Personen. Striker hatte sich auf Observierungen spezialisiert. Jeffrey, Exsoldat und FBI -Agent durch und durch, befasste sich
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