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Lucy in the Sky

Lucy in the Sky

Titel: Lucy in the Sky
Autoren: Paige Toon
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denke ich, James sollte Schauspieler werden. Aber nein, er ist als Anwalt viel zu gut.
    Und das ist er wirklich. Vor sechs Monaten ist er befördert worden und hat eine ordentliche Lohnerhöhung bekommen. Deshalb konnte er sich auch diese Ohrringe zu meinem Geburtstag leisten. Aber James hätte sie mir auch ohne die Beförderung geschenkt und einfach sechs Monate dafür gespart. Er tut einfach alles für mich. Mindestens einmal im Monat bringt er mir Blumen mit, er lädt mich dauernd zum Essen ein und kauft mir Geschenke. Meine Freundinnen beneiden mich alle um James und finden, dass ich das große Los gezogen habe.
    Auf einmal höre ich ein durchdringendes Dröhnen, und ein Flugzeug rollt ganz in der Nähe vorüber. Ein Lärm, als ob man durch die Autowaschanlage fährt. Ich beobachte, wie ein Mann um die vierzig, mit schütterem Haar, die Treppen in den Swimmingpool hinuntersteigt. Bei jedem Schritt wackelt sein Bierbauch. An einem Tisch auf der anderen Seite der Bar sitzen drei junge Typen und trinken Bier. Einer schaut zu mir herüber, wendet sich dann seinen Kumpels zu und sagt irgendwas. Daraufhin drehen sich alle drei zu mir um und grinsen blöd.
    Es geht mir schon so viel besser als vorhin. Verdammt, ich hab Lust auf noch einen Cocktail.
    »Singapore Sling?«
    »Ja bitte.«
    Allmählich fühlte ich mich etwas beschwipst. Ich weiß, man sollte lieber nicht allein trinken, aber scheiß drauf, ich habe Ferien. Und ich habe einiges durchgemacht in den letzten – wie lange hat dieser entsetzliche Zustand eigentlich angedauert? Fünfzehn Stunden? Ob ich irgendwann mal darüber lachen werde? Schon jetzt kommt es mir ziemlich komisch vor. Aber vermutlich sind daran auch die drei Singapore Slings schuld.
    Der Gedanke an den armen James, der abends in unsere leere Wohnung heimkehrt, allein im großen Bett schläft und mich vermisst … Ich wünschte, er hätte mit nach Australien kommen können. Wenn er die Beförderung nicht gekriegt hätte, hätte er vielleicht freinehmen können, aber als ich den Flug gebucht habe, fand er, dass es noch zu früh dafür war, nach Urlaub zu fragen. Wenn Molly und Sam ihn doch bloß kennenlernen könnten.
    Jetzt ist ein Pärchen im Wasser. Sie küssen sich. Der Mann um die vierzig mit der Halbglatze verrenkt sich beim Vorbeischwimmen jedes Mal fast den Hals. Ein Brustschwimmer, das sieht man nicht oft, oder? Irgendwie wünsche ich mir jetzt doch, ich hätte einen Badeanzug dabei, aber dann säße ich nicht hier auf diesem hübschen Barhocker und könnte meine Füße in den Plateauschuhen nicht so lässig baumeln lassen.
    »Noch einer, Madam?«
    Flirtet er etwa mit mir? Das war doch grade ein zwinkerndes Grinsen, ganz eindeutig. Gibt es das überhaupt, ein zwinkerndes Grinsen? Nein, ich glaube, es gibt nur ein Augenzwinkern oder ein verführerisches Grinsen. Nein, ein Augenzwinkern und ein verführerisches Lächeln und ein anzügliches Grinsen. Mann, bin ich blau.
    Das ist ganz bestimmt mein letzter Singapore Sling. Holla!
    Da wäre ich doch fast von meinem Hocker gekippt. Wann ging nochmal mein Flug? Hinter der Bar ist ein Bildschirm mit den Abflugzeiten, und ich muss mich anstrengen, um die Zahlen zu erkennen. Wo ist denn mein Flug? Sydney, Sydney, Sydney – ah, da ist er. »Last Call«.
    Verdammt, steht da wirklich Last Call?
    Mist! Ich rutsche von meinem Stuhl – um ein Haar wäre ich gekippt! –, stürze in Richtung Ausgang, stolpere über meine Keilabsätze. Dann fällt mir plötzlich ein, dass ich noch nicht bezahlt habe. Also renne ich zurück, sehe die Erleichterung im Gesicht des Barkeepers, der vermutlich gedacht hat, ich wollte einfach abhauen. Ich schleudere meine Kreditkarte vor ihn auf den Tresen, bringe ihn mit all meiner Willenskraft dazu, sich zu beeilen, drehe mich dann um und renne los. Aber wo um Himmels willen ist denn bloß Gate 22 C?

Von Singapur nach Sydney
    Samstag: Abflug von Singapur 20 Uhr
Sonntag: Ankunft Sydney 6 . 50 Uhr
Flugdauer: 7 Stunden 50 Minuten
    O je, die Flugbegleiterinnen sehen gar nicht glücklich aus. In den letzten zehn Minuten haben sie Lucy McCarthy zweimal über Lautsprecher ausrufen lassen, während ich im Slalom zum Gate gerast bin. Ich entschuldige mich überschwänglich, aber das »Sorry« kommt raus wie »Schorry«, und die Tatsache, dass ich ziemlich torkelig über die Planke schwanke, macht die Sache nicht besser.
    Hab ich grade Planke gesagt? Uuups. Ich meine natürlich Gang.
    Meine Mitreisenden glotzen mich mehr oder minder
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