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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Autoren: Gwen Bristow
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Schultern waren verkrümmt von ewiger Arbeit; ihr Bauch drängte sich vor; das Schürzenband teilte die Wölbung mit sonderbar tiefem Einschnitt in zwei Hälften. Graues Haar hing ihr feucht und wirr über die Ohren herab; der magere Knoten im Nacken drohte den Nadeln zu entschlüpfen, die ihn hielten.
    »Ich glaube, du mußt erst ein bißchen Feuerholz hacken, Corrie May!« sagte Mrs. Upjohn. »Auf Papa zu warten hat keinen Zweck.«
    Corrie May wollte das Beil von der Wand nehmen, wo es aufgehängt war. Budge hielt sie zurück: »Wär' ja noch schöner! Ein Mädchen – und Holzhacken! Ich werd' es tun!«
    »Nein, Budge!« Sie errötete. »Du bist sicher müde!«
    »Keine Spur! Ich bin nicht so leicht müde. Gib mir das Beil!«
    Sie ging mit ihm auf den Hof hinaus: »Da ist das Holz. Viel ist nicht mehr übrig. Ach, hoffentlich kriegen die Jungens Arbeit!«
    »Sie werden schon!« sagte Budge. Er wollte ihr Mut machen. Corrie May stand neben dem Haufen Feuerholz und zerrte an ihrem Ärmel; er war zerrissen an einer Stelle. Sie wußte nicht, wie der Schaden entstanden war; aber der Stoff war schon so mürbe –; er zerfiel von ganz allein.
    »Du, Budge –!«
    »Ja, was denn?« Er lächelte ihr zu, so freundlich und liebevoll er konnte; er bückte sich und setzte ein Stück Holz auf, es zu spalten. Corrie May fühlte, wie sie abermals errötete. »Wie wär's, Budge, wenn du zum Abendbrot bei uns bliebest? Ich könnte uns Pfannkuchen backen!«
    »Das klingt nicht übel!« sagte Budge. »Wenn ihr nichts dagegen habt, bleibe ich gern!«
    Er lachte über sein ganzes ehrliches Gesicht.
    Corrie May lief eilig in die Küche zurück: »Budge bleibt zum Abendbrot!« verkündete sie.
    Mrs. Upjohn war einverstanden; sie lächelte: »Budge ist ein guter Mensch! Das ist er!«
    Auch Corrie May lächelte, als sie das Maismehl hervorholte. »Mama?« fragte sie und rührte den Teig an. »Wie alt warst du eigentlich, als du heiratetest?«
    »Fünfzehn auf sechszehn«, sagte Mrs. Upjohn. »Und ich hatte die Auswahl –!«
    Corrie May erwiderte nichts. Mit der Auswahl konnte es nicht weit her gewesen sein, wenn kein besserer als ihr Vater übriggeblieben war. Sie besaß natürlich kein Recht, dies auszusprechen; außerdem regte sich die Mutter längst nicht so über Papas Predigten auf wie sie selbst. Mama meinte gutmütig, das käme davon, wenn einer lesen lernte. Arme Leute sollten die Hände von den Büchern lassen; sie kriegten dann große Rosinen in den Kopf – und das täte nicht gut.
    Mama fing an – was sie gern tat –, in Erinnerungen zu kramen: »Ich hab' deinen Vater auf einem Ball kennengelernt – an einem Samstagabend in der Scheune von den Sheramys. Ich kannte einen Mann, der bei den Sheramys an der Maschine arbeitete; der nahm mich mit. Wenn die Ernte vorüber war, dann gaben die Pflanzer den Männern ein Fest; jeder konnte sich Damen mitbringen. Ich hatte ein rosa Kleid an mit großen, weiten Ärmeln und einen Strohhut auf mit Bändern dran, und das Haar hatte ich mir mit Quittensaft gelockt. Und wir tanzten den Virginia-Schottisch – und ich war am leichtesten beim Tanz; das sagten alle!«
    Corrie May wußte nichts zu sagen. Aber schweigen durfte sie nicht; sie mußte sich irgendwie äußern, um sich nichts anmerken zu lassen; es fiel ihr schrecklich schwer, sich ihre Mutter als leichtfüßige Tänzerin vorzustellen.
    Sie fragte:
    »Was – was hatte dein Haar damals für eine Farbe, Mama?«
    »Ziemlich hell, so wie deines!« sagte Mrs. Upjohn. »Ich hätte dir bestimmt gefallen, wie ich damals aussah. Dein Vater sagte immer, er hätte niemals ein hübscheres Mädchen gesehen.«
    Corrie May ließ den Rührlöffel in die Schüssel sinken und wandte sich um. Die Mutter stand immer noch über das Waschfaß gebeugt. Ihr Gesicht, zerfurcht und verwittert, glich beinah einem alten Rock, der lange im Regen gelegen hat. Ihr Atem zischte ein wenig, wenn er den Mund verließ; Mrs. Upjohn hatte ihre vier oberen Schneidezähne verloren. Vom heißen Wasser war die Haut ihrer Hände gerötet und gequollen; fast ähnelten sie Stücken rohen Fleisches.
    Corrie May trat vor einen zerbrochenen Spiegel, der an der Küchenwand hing. Einen Spiegel muß man haben, sagte die Mutter stets. Das sieht hübscher aus – und hängte rote Pfefferschoten um ihn her, auf eine Schnur gezogen. Corrie May betrachtete ihr Spiegelbild, die kräftig schöne Linie des Halses, die hohen, festen Brüste, ihre warm durchblutete, reine Haut.
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