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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Autoren: Gwen Bristow
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Löhne ablieferte. Sie fielen über ihn her mit hundert wilden Fragen; sie wollten wissen, was aus ihren Männern geworden war. Und immer noch mehr Frauen eilten herbei; die Kinder strömten zusammen; sie wußten nicht, was passiert war; aber aufregend mußte es sein; das durften sie nicht verpassen. Der Mann aus dem Holzfällerlager blickte sich um, mitleidig und ungeduldig zugleich; er zog sich zurück; ihm lag nichts daran, sich die Knöpfe vom Rock und die Ärmel aus dem Anzug zerren zu lassen.
    »Nun einmal Ruhe, Ruhe! Einen Augenblick Ruhe, bitte! Ich werde alles berichten. Ihr müßt nur ein wenig Geduld haben. Laßt mich nur eine Sekunde in Frieden! Ja, wir hatten ein bißchen Fieber im Lager. Es war nicht schlimm, war nur halb so schlimm, wie ihr alle denkt! Die meisten Männer haben kein Fieber, sind kerngesund! Macht mir Platz, Leute! Laßt mich durch!«
    Er schwang sich auf Mr. Gambrells Treppenstufen; die Frauen preßten sich um ihn her.
    »Das Fieber!« schrie eine der Frauen. »Schleppen die Leute in die Sümpfe mitten im Sommer!«
    »Sachte, sachte, Frau, das soll keiner sagen! Kein Mensch wurde in die Sümpfe geschleppt. Jeder einzige, der sich anwerben ließ, Zypressen zu roden, hat das freiwillig getan und auf eigene Gefahr. Das wißt ihr genausogut wie ich. Werdet nur erst ruhiger, Leute!« Er wedelte mit der rechten Hand in der Luft, als wollte er jedem der Versammelten auf die Schulter klopfen.
    »Ich will die Namen der Männer, die krank geworden und gestorben sind, der Reihe nach vorlesen.« Er sagte es mit besänftigender Stimme; fuhr dann lauter fort: »Bevor ich aber beginne, möcht' ich euch alle daran erinnern, daß die Männer für einen vornehmen Herrn gearbeitet haben, wie kein besserer jemals Arbeit vergeben hat. Mr. Larne hat alle gegen Fieber versichert. Und dabei ist es geblieben; das prägt euch ein! Jede Frau, die einen Mann aus ihrer Familie verloren hat, bitte sehr, die kann gleich zum Ardeith-Kontor am Hafen gehen, und da bekommt sie die Löhne, die der Mann noch ausstehen hat, und fünfzig Dollar dazu. Nun seid also still, damit ich die Namen vorlese!« Er zog ein Papier aus der Tasche. Corrie May wurde von einem solchen Krampf der Angst und Erwartung überfallen, daß ihr die Waden schmerzten. Sie hatte den Arm um die Mutter gelegt; die schmiegte sich eng an sie an. Ihr Vater stand ein Stückchen weiter hinten. Der Mann auf der Treppe erhob die Stimme:
    »John Gambrell, Felipe de Sola, Joshua Horton.« Jedem Namen antwortete kreischend ein Schrei aus der Menschenschar. Die arme Mrs. de Sola fiel im Staub auf die Knie und fing an, schluchzend auf spanisch zu beten; sie beugte den Kopf bis zur Erde und hob ihn wieder im Takte des klagenden Gebets. Die anderen klopften ihr auf die Schulter und blickten doch nicht hin; sie lauschten angstvoll den nächsten Namen.
    »Peter Creel. Yvon Picot. Jean Lapeyroux. Hernando Grima. Henry Wales. George Upjohn. Lemmy Upjohn.«
    Corrie May hörte einen langen, wie erstickten Schrei aus ihrer Mutter Kehle dringen und preßte die ins Herz Getroffene dichter an sich heran; sie vernahm die weiteren Namen nicht – wie durch einen Nebel wurde sie noch des Jammers der anderen Frauen gewahr – und wunderte sich zugleich, warum sie alle kreischten und schrien; es nutzte ja nichts mehr!
    »Wir wollen heimgehen«, sagte sie langsam.
    Sie führte ihre Mutter in die Küche. Da stand noch auf dem Tisch das heiße Maisbrot, und aus der Schüssel mit Reis und Kohl stieg der Dampf. Der Vater war schon daheim. Er saß im Stuhl am Ofen; sein Kopf hing auf die Brust; die Hände ließ er zwischen die Knie pendeln.
    Schwankend erhob er sich, als hätte ihn wer auf den Schädel geschlagen. Er sagte zu seiner Frau:
    »Komm, setz du dich hierher, mein Schatz!«
    Während Corrie May ihre Eltern beobachtete, begriff sie zum erstenmal in ihrem Leben, warum die Mutter den Vater immer noch liebte, warum sein verspieltes Gebaren sie niemals ungeduldig machte. Er ging so sanft mit ihr um, rieb ihr die Hände zwischen den eigenen, ließ sich aufs Knie nieder und trocknete ihr mit der Schürze die Tränen ab. Leise sprach er ihr zu, wie man einem Kinde zuspricht. Seine Worte klangen wunderbar schön; er wußte Sprüche aus der Heiligen Schrift, die wie Musik ertönten: im Blute des Lammes wären die Kinder nun gewaschen und wanderten im Licht auf goldenen Straßen Gottes, an tiefen Strömen entlang, darinnen die Wasser des Lebens fließen.
    Corrie May trat vors Haus und
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