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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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hatte Sprünge bekommen, war löchrig geworden, aber er existierte noch immer. Pepys hatte nur an der Oberfläche gekratzt.
    Pepys.
    Hinter ihren geschlossenen Lidern sah Ruby immer wieder, wie dieser Mann mit flackerndem Blick auf sie zugekommen war. Wie er auf sie eingeredet und ihr befohlen hatte, ihm gefälligst Rede und Antwort stehen.
    Er hatte seltsame Dinge gefragt, die das Schicksal eines gewissen Kyle betrafen, aber mehr als einmal hatte Ruby den Verdacht gehegt, er meinte sich selbst damit.
    Seine Fragen hatten überall in ihrem Körper ein Brennen erzeugt, als durchflösse kochende Lava ihre Adern. Auch Pepys war immer nervöser, immer unruhiger und fahriger geworden, bis er schließlich schreiend vor dem Bett, auf dem sie kauerte, zusammengebrochen war. Nach einer Weile hatte er sich wieder aufgerappelt, und seither spielte er höchst überzeugend verrückt, auch wenn seine verbalen Drohungen sich nur noch auf ein sinnentleertes Lallen beschränkten.
    Er spielt nicht verrückt, dachte Ruby, er ist wahnsinnig.
    Ein Teil von ihr dachte dies.
    Der bedeutendere Rest war damit beschäftigt, jene Risse zu kitten, die Pepys in dem Panzer hinterlassen hatte, der Ruby vor der Wahrheit und sich selbst schützen sollte.
    Der ganzen Wahrheit, die auch ihren eigenen Verstand heillos zerrüttet hätte .
    *
    Evelyn hat mich angesteckt!
    Evelyn hat Kathalenas Körper mit der Pest infiziert...!
    Benommen versuchte sich Lilith über die Konsequenzen einer Erkrankung klarzuwerden. In ihrem eigenen Körper war sie gegen so gut wie jeden Erreger immun. Für Kathalena zählte das nicht. Ka-thalena war ein Mensch - und damit ebenso anfällig wie jeder x-beliebige Sterbliche!
    Trotz dieses Wissens fiel es Lilith schwer, sich mit der Realität einer solchen Infektion abzufinden.
    Dort, woher sie kam, war diese Plage besiegt, hatte ihren Schrecken verloren, wenngleich das Wort Pest in aller Munde und Synonym für sämtliches Übel der Welt geblieben war!
    Und hier und heute? Im Heute, das auch für Lilith galt, war sie der unersättlichste Menschenfresser, den man sich nur vorstellen konnte!
    Hunderttausend, hatte William ihr erzählt, waren vom Schwarzen Tod in London allein im letzten Jahr dahingerafft worden.
    Hunderttausend!
    Damit war diese Plage gieriger als die, die von Lilith im allgemeinen bekämpft wurde - mitleidloser noch als die Vampire!
    Zwar kursierten überall dubiose, teils sogar unerschwinglich teure Wunderarzneien, mit denen hauptsächlich die Reichen geschröpft werden sollten, aber ein verläßliches Mittel gegen die Pest gab es in dieser Zeit noch nicht.
    Mit anderen Worten: Ich werde sterben, dachte Lilith.
    Zumindest dieser Körper würde es.
    Und ICH auch, falls meine wahre Hülle inzwischen zerstört worden ist!
    Auch Evelyn würde sterben. Mit William, Deb und Helen. Alle Gebete würden nichts mehr nützen!
    Diese Nacht war schwül. Lilith verzichtete darauf, sich wieder anzukleiden. Sie blieb wach, solange sie konnte, um das Wuchern ihrer Beulen zu beobachten.
    Selbst an ihren Armen und der rechten Hand hatten sich die ersten furunkelartigen Geschwüre gebildet.
    Die Linke hingegen blieb verschont.
    Die Linke kam ja auch vom Teufel ...
    *
    Kyle hatte sich noch nie so gut gefühlt wie in dieser aphrodisischen Nacht!
    Ganz London lag ihm zu Füßen. Die jungen Männer ebenso wie die gemiederten, in ihrem Schlankheitswahn so köstlich leidend wirkenden Frauen .
    Er war der König dieser Stadt, ihr heimlicher Herrscher - er allein!
    Auch wenn er vergessen hatte, woher er gerade kam, die Euphorie trug ihn wie auf Flügeln durch die Straßen seines Reichs. Er brauchte die eigenen Schwingen nicht einmal zu entfalten, um .
    Um .?
    Kyle schrie heiser auf. Er wußte nicht mehr, worüber er weiter hatte schwelgen wollen - aber gleich, gleich würde es ihm wieder einfallen .
    Über den harten Linien der Dächer zeigte sich bereits ein fahles Band, aus Licht gewoben. Am Horizont dämmerte der Morgen. Aber das war kein Grund zur Eile. Kyle hatte Zeit; alle Zeit eines Unsterblichen. Er konnte jedes Haus besuchen, jeden Nektar probieren, der in den Adern seiner Untertanen bereitgehalten wurde, warm und köstlich. Und er konnte seinen Geschlechtstrieb ausleben, den das Kelchritual nicht erstickt hatte, im Gegenteil.
    Kyles Gedanken schweiften kurz zurück zu seiner Taufe. Im ausgehenden 12. Jahrhundert war er seiner Mutter gestohlen worden. Eines von fast dreißig Kindern, die wenige Nächte später dem Hüter
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