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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German)
Autoren: Vladimir Nabokov
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Rosenknospen-qualität ihrer Ware hinzuweisen, zog sie mit theatralischer Geste einen Vorhang beiseite und enthüllte den Teil des Zimmers, in dem sonst wahrscheinlich eine große, anspruchslose Familie schlief. Doch die Bühne war zu dieser Stunde leer, ausgenommen ein ungeheuer dickes, fahles, widerwärtig nichtssagendes Mädchen von wenigstens fünfzehn Jahren mit rotbebänderten schweren schwarzen Zöpfen, das auf einem Stuhl saß und mechanisch eine kahle Puppe wiegte. Als ich den Kopf schüttelte und der Falle zu entschlüpfen suchte, machte sich die Frau unter schnellem Reden daran, vom Rumpf der jungen Riesin den schmuddeligen Pullover herunterzuzerren; dann, als sie sah, daß ich entschlossen war zu gehen, verlangte sie «son urgent» . Eine Tür hinten im Zimmer ging auf, und zwei Männer, die in der Küche gesessen hatten, mischten sich in das Gezänk; sie waren verwachsen, kragenlos, sehr dunkelhäutig, und einer von ihnen trug eine Sonnenbrille. Ein kleiner Junge und ein schmieriges, o-beiniges Kleinkind lauerten hinter ihnen. Mit der unverschämten Logik eines Alptraumes zeigte die aufgebrachte Kupplerin auf den Mann mit der Brille und sagte, er habe bei der Polizei gedient, lui, und  ich solle lieber tun, was man mir sage. Ich trat neben Marie - denn so lautete ihr stellarer Name -, die inzwischen ihr schweres Gesäß in aller Ruhe auf einen Stuhl am Küchentisch gewuchtet hatte und ihre Suppe weiterlöffelte, während das Kleinkind seine Puppe aufhob. In einer Aufwallung von Mitleid, die meine idiotische Geste dramatisierte, drückte ich einen Geldschein in ihre gleichgültige Hand. Sie lieferte meine Gabe dem Ex-Detektiv ab, woraufhin mir erlaubt war zu gehen.

7
    Ich halte es für möglich, daß das Album der Zuhälterin ein weiteres Glied im Gänseblümchenreigen des Schicksals war; jedenfalls beschloß ich um meiner eigenen Sicherheit willen bald danach, zu heiraten. Ich stellte mir vor, daß ein geregeltes Leben, selbstgekochte Mahlzeiten, all die Konventionen der Ehe, die vorbeugende Monotonie ihrer Schlafzimmerbetätigungen und, wer weiß, das schließliche Aufblühen gewisser moralischer Werte, eines gewissen spirituellen Ersatzes mir dazu verhelfen könnten, mich von meinen entwürdigenden und gefährlichen Begierden wenn nicht endgültig zu reinigen, so doch sie friedlich im Zaum zu halten. Etwas Geld, das mir nach dem Tod meines Vaters zugefallen war (nicht sehr viel, das Mirana war schon lange vorher verkauft worden), und dazu mein auffallend gutes, wenn auch etwas brutales Aussehen erlaubten mir, mit Gleichmut auf die Suche zu gehen. Nach  vielfachen Erwägungen fiel meine Wahl auf die Tochter eines polnischen Arztes: Der gute Mann behandelte mich gerade wegen Schwindelanfällen und Tachykardie. Wir spielten Schach; seine Tochter beobachtete mich hinter ihrer Staffelei und fügte Augen oder Knöchel, die sie mir entnahm, in den kubistischen Unfug, den gebildete junge Damen damals anstelle von Flieder und Lämmchen malten. Mit ruhiger Bestimmtheit muß ich wiederholen: Ich war und bin noch immer, trotz mes malheurs , ein ungewöhnlich gutaussehender Mann; groß, mit langsamen Bewegungen, weichem dunklem Haar und einer schwermütigen und deshalb um so verführerischeren Körperhaltung. Außergewöhnliche Vi-rilität tritt oft in den vorzeigbaren Zügen des Betreffenden als ein mürrisches und gestautes Etwas zutage, das dem entspricht, was er verbergen muß. Und das war bei mir der Fall. Ach, ich wußte nur zu gut, daß ich mit einem Fingerschnipsen jedes erwachsene Weibsbild haben konnte, das ich nur irgend wollte; aber ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, Frauen keine Aufmerksamkeit zu schenken, aus Angst, sie könnten mir Hals über Kopf wie eine Vollreife Frucht in den kalten Schoß torkeln. Wäre ich ein français moyen mit Sinn für schicke Schönheiten gewesen, so hätte ich unter den vielen liebestollen Weibern, die gegen meinen starren Fels gespült wurden, leicht viel faszinierendere Geschöpfe gefunden als Valeria. Meine Wahl wurde jedoch von Überlegungen bestimmt, denen, wie ich zu spät erkannte, ein jämmerlicher Kompromiß zugrunde lag. Was alles nur zeigt, wie dumm der arme Humbert in Liebesdingen immer war.

8
    Obwohl ich mir sagte, daß ich nur auf eine beschwichtigende Anwesenheit, einen verklärten pot-au-feu, ein animiertes Genital Wert legte, zog mich in Wahrheit an, wie sie das kleine Mädchen spielte. Sie tat es nicht etwa, weil sie mich durchschaut hätte; es
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