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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes
Autoren: Jeanne C. Stein
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und sie tritt zwischen Carolyn und mich. »Warum sollten wir glauben, dass dieses Kind von Steve ist?«
    Carolyn hebt versöhnlich beide Hände. »Ich habe nicht erwartet, dass Sie mir einfach glauben. Ich habe Trishs Bürste von zu Hause mitgebracht. Wir können ihr Haar für einen Gentest nehmen. Wenn Sie nichts von Steve haben, geht auch eine Blutprobe von einem von Ihnen. Das ist dann natürlich nicht so genau, aber … «
    Mein Vater ergreift zum ersten Mal das Wort. Sein Gesichtsausdruck ist unergründlich, aber seine Stimme zittert. Er empfindet dieselbe Wut, die auch in mir kocht. »Warum erzählen Sie uns das gerade jetzt? Weil sie in Schwierigkeiten steckt? Was glauben Sie denn, was wir da tun könnten?«
    Carolyn nimmt seine Hand und hält sie fest, obwohl er erstarrt und zurückzuckt. »Es tut mir leid, wenn ich Sie damit aufgeregt habe. Ich hatte nie die Absicht, Ihnen von Trish zu erzählen. Nie. Ich wollte nur mit Anna reden. Sie anheuern, damit sie Trish sucht. Aber als Ihre Frau mir am Telefon gesagt hat, dass Sie gerade alle hier sind, da dachte ich, das ist ein Zeichen. Ich musste herkommen. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Und ich dachte, wenn Sie die Geschichte erst gehört haben, würden Sie mir bestimmt helfen. Sie ist Ihr Enkelkind. So etwas würde ich mir doch nicht ausdenken.«
    Moms Stimme klingt ruhig. »Warum hat Steve uns dann nicht erzählt, dass Sie schwanger waren?«
    »Er wusste es nicht. Ich habe es erst nach dem Unfall gemerkt. Als Steve gestorben ist, bin ich sehr krank geworden. Ich musste ins Krankenhaus. Und da habe ich erfahren, dass ich schwanger bin.«
    »Warum sind Sie dann nicht gleich zu uns gekommen?«
    Carolyn lässt die Hand meines Vaters los. »Ich dachte, ich käme allein damit klar. Ich habe Steve geliebt. Aber ich habe den Fehler gemacht, meinen Eltern zu sagen, dass ich schwanger war. Sie waren nicht so erfreut wie ich. Sie haben versucht, mich zu einer Abtreibung zu überreden. Sie waren ziemlich gnadenlos. Ich dachte, Sie würden es genauso sehen – dass das Baby ein Fehler war.« Carolyns Miene wurde hart. »Immerhin haben Sie sich nicht mal die Mühe gemacht, mich anzurufen und nachzufragen, warum ich nicht bei der Beerdigung war.«
    Als niemand antwortet, winkt sie ab. »Das ist jetzt sowieso nicht mehr wichtig. Ich bin weggelaufen. Dann bin ich hierher gezogen, weil ich ein Stipendium für die Schwesternschule bekommen habe. Nach Trishs Geburt habe ich eine Stelle in einem Krankenhaus hier in der Stadt bekommen. Ich habe Trish allein großgezogen, so gut ich konnte. Wir sind sehr gut zurechtgekommen, bis Trish an die Highschool kam. Da hat sich auf einmal alles verändert.«
    »Erzählen Sie uns mehr«, sagt Mom, als weder mein Vater noch ich Carolyn drängen, weiterzusprechen. »Sie haben uns Steves Kind, unser Enkelkind, all diese Jahre vorenthalten. Also erzählen Sie uns jetzt besser die Wahrheit.«
    Carolyn nickt und rutscht auf die Sofakante vor. »Trish und ich sind letztes Jahr aus der Stadt hier herausgezogen«, sagt sie. »Mir hat die Clique nicht gefallen, in die Trish an ihrer alten Schule hineingeraten war.« Sie blickt zu meiner Mutter auf. »Ich wusste ja nicht, dass das Ihre Schule ist. Das habe ich erst später gemerkt.«
    Mom sagt nichts, doch ihr Blick bleibt skeptisch. Das entgeht mir ebenso wenig wie der Ärger, der sich allmählich auf ihrem Gesicht ausbreitet.
    Carolyn zuckt mit den Schultern und fährt fort: »In der Nachbarschaft gibt es eine Gruppe älterer Kinder, die sich sofort besonders für Trish interessiert haben, von dem Moment an, wo wir eingezogen waren. Natürlich fand sie das toll. Ich vermute, dass diese Jugendlichen trinken und Gras rauchen. Ich hätte das sofort unterbinden sollen. Aber falls Trish auch geraucht und getrunken hat, dann hat sie das sehr geschickt verborgen. Sie ist nie zu spät nach Hause gekommen. Sie hat nie ihre Hausaufgaben vernachlässigt oder gelogen, wenn ich gefragt habe, wo sie hin wollte und mit wem. Vor ein paar Monaten hat sich das alles geändert.«
    Sie zappelt unruhig herum, drückt immer wieder die Handflächen gegeneinander, schlägt erst ein Bein über, dann das andere. »Trish war immer eine gute Schülerin, aber plötzlich bekam sie schlechte Noten. Sie blieb abends immer länger weg und wollte mir nicht sagen, wo sie war. Manchmal kam sie bekifft oder betrunken nach Hause. Ich habe alles versucht, um da einzuschreiten. Deshalb habe ich mich auch mit Daniel Frey
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