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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee
Autoren: Chris Cleave
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natürlich für jeden vernünftigen Menschen aus wie Batmans Alltags-Alter-Ego. Mein Sohn rief mir durch den Flur zu: Mama, es ist Bruce Wayne!
    An jenem Morgen ging ich auf die Straße und stand da und betrachtete Andrews Sarg durch das dicke, leicht grünliche Fenster des Leichenwagens. Als Little Bee sich zu mir gesellte, Batman an der Hand, führte uns der Bestatter zu einer langen schwarzen Limousine und bedeutete uns mit einem Nicken, wir sollten einsteigen. Ich erwiderte, wir würden lieber gehen.
    So gingen wir drei zur Beerdigung meines Mannes, eine weiße Mittelschicht-Mutter, ein mageres schwarzes Flüchtlingsmädchen und ein kleiner dunkler Ritter aus Gotham City. Wir sahen aus, als hätte man uns mit Photoshop zusammengeschustert. Meine Gedanken rasten, albtraumhaft und zusammenhanglos.
    Es waren nur wenige hundert Meter bis zur Kirche, und als wir drei vor dem Leichenwagen die Straße entlanggingen, bildete sich hinter uns ein wütender Stau. Ich fühlte mich scheußlich deswegen.
    Ich trug ein dunkelgraues Kostüm mit Handschuhen und anthrazitfarbenen Strümpfen. Little Bee trug meinen eleganten schwarzen Regenmantel über den Kleidern, in denen man sie aus der Abschiebehaft entlassen hatte - einem furchtbar unbegräbnishaften Hawaii-Hemd und Jeans. Mein Sohn trug einen Gesichtsausdruck absoluter Freude. Er, Batman, hatte den Verkehr angehalten. Sein Umhang flatterte in seinem winzigen Windschatten, als er stolz voranschritt und unter der dunklen Maske von einem Fledermausohr zum anderen grinste. Gelegentlich erspähte er dank seines überlegenen Sehvermögens einen Feind, der vernichtet werden musste, und dann blieb mein Sohn einfach stehen, vernichtete und ging weiter. Er hatte Angst, die unsichtbaren Horden des Papageientauchers könnten mich angreifen. Ich hatte Angst, weil mein Sohn nicht auf dem Klo gewesen war, bevor wir das Haus verließen, und die Bescherung durchaus in die Batman-Hose gehen konnte. Außerdem hatte ich Angst davor, den Rest meines Lebens Witwe zu sein.
    Ich hatte es für tapfer gehalten, zu Fuß zur Kirche zu gehen, fühlte mich nun aber schwindlig und töricht. Ich fürchtete, ich könnte in Ohnmacht fallen. Little Bee stützte mich am Ellbogen und flüsterte mir zu, ich solle tief durchatmen. Ich weiß noch, dass ich dachte, wie seltsam, dass ausgerechnet du mich vor dem Hinfallen bewahrst.
    In der Kirche saß ich in der ersten Bank, Little Bee links von mir und Batman rechts. Natürlich war die Kirche gedrängt voll mit Trauergästen. Niemand von der Zeitschrift - ich versuchte, Privatleben und Arbeit voneinander zu trennen -, doch ansonsten waren alle Leute da, die Andrew und ich kannten. Es war verwirrend, so als wäre der gesamte Inhalt unserer Adressbücher in schwarze Kleidung gesteckt und in nicht alphabetischer Reihenfolge in die Kirchenbänke exportiert worden. Die Leute hatten sich nach einem ungeschriebenen Protokoll der Trauer angeordnet, Blutsverwandte gierig nah beim Sarg, Ex-Freundinnen in einem zaghaften Grüppchen beim Taufbecken. Ich konnte es nicht ertragen, mich umzudrehen und diese neue natürliche Ordnung der Dinge zu betrachten. Es kam alles viel zu plötzlich. Noch vor einer Woche war ich eine erfolgreiche berufstätige Mutter gewesen. Jetzt saß ich bei der Beerdigung meines Mannes, flankiert von einem Superhelden und einem nigerianischen Flüchtlingsmädchen. Es erschien mir wie ein Traum, aus dem ich mit relativ wenig Anstrengung erwachen konnte. Ich starrte auf den Sarg meines Mannes, der mit weißen Lilien bedeckt war. Batman starrte den Pfarrer an. Anerkennend ließ er den Blick über Stola und Chorhemd wandern. Er streckte feierlich den Daumen in die Höhe, ein umhangbewehrter Kreuzritter grüßte seinesgleichen. Der Pfarrer erwiderte den Gruß, dann kehrte sein Daumen zum verblichenen Goldschnitt der Bibel zurück.
    In der Kirche war es still geworden, erwartungsvoll. Mein Sohn sah sich um und dann wieder zu mir. Wo ist Papa?, fragte er.
    Ich drückte seine heiße, verschwitzte Hand und horchte auf das Husten und Schniefen, das in der Kirche widerhallte. Ich fragte mich, wie ich meinem Sohn den Tod meines Mannes erklären sollte. Natürlich waren es seine Depressionen, die Andrew getötet hatten - Depressionen und Schuldgefühle. Aber mein Sohn glaubte nicht an den Tod, geschweige denn, dass etwas wie Gefühle ihn verursachen könnten. Vielleicht die eisigen Strahlen von Mr. Freeze. Allerhöchstens noch der todbringende Flügel des
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