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Liebesmaerchen in New York

Liebesmaerchen in New York

Titel: Liebesmaerchen in New York
Autoren: Nora Roberts
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blond, an den richtigen Stellen wohlgerundet und mit feinen Gesichtszügen. Hester faltete die Hände auf dem Schreibtisch und versuchte Autorität auszustrahlen.
    »Tut mir leid, dass ich zu spät komme!« Kay lächelte und machte durchaus nicht den Eindruck, als ob es ihr wirklich leidtäte. »Montags dauert immer alles länger, als man annimmt. Es nützt auch nichts, wenn ich mir einrede, es sei Dienstag. Ich weiß auch nicht, warum. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Nein danke, ich habe in ein paar Minuten einen Termin.«
    »Klingeln Sie einfach, falls Sie es sich doch noch anders überlegen.« Kay blieb an der Tür stehen. »Dieses Büro dürfte ruhig ein bisschen freundlicher aussehen. Es ist dunkel wie ein Gefängnis. Mr Blowfield, dessen Stelle Sie einnehmen, mochte langweilige Dinge. Die passten auch zu ihm, wissen Sie.«
    Das Lächeln der Assistentin war ehrlich, und dennoch zögerte Hester, darauf einzugehen. Sie wollte nach Möglichkeit vermeiden, gleich am ersten Tag in den Ruf zu kommen, eine Klatschtante zu sein.
    »Sollten Sie hier etwas umändern wollen, dann lassen Sie es mich wissen. Mein Freund ist Innenarchitekt. Ein richtiger Künstler.«
    »Vielen Dank. Schicken Sie mir bitte Mr und Mrs Browning herein, sobald sie kommen.«
    »Mach ich, Mrs Wallace«, antwortete Kay und dachte, ihre neue Chefin sei zwar netter anzusehen als der alte Blowfield, habe aber offensichtlich ansonsten viel Ähnlichkeit mit ihm. »Die Kreditformulare liegen unten in der linken Schublade. Nach Typen geordnet. Die juristischen rechts, die bankinternen links. Die Liste der aktuellen Zinssätze finden Sie in der mittleren Schublade. Die Brownings kommen wegen eines Kredits für den Umbau ihres Hauses, weil sie ein Kind erwarten. Er macht in Elektronik, sie arbeitet halbtags bei ›Bloomingdale’s‹. Sie sind über die Unterlagen informiert worden, die sie mitbringen müssen. Ich kann davon Kopien machen, während sie hier sind.«
    Hester zog die Augenbrauen hoch. »Danke, Kay«, sagte sie und wusste nicht, ob sie mehr beeindruckt oder amüsiert war.
    Nachdem die Tür sich wieder geschlossen hatte, lehnte Hester sich zurück und lächelte. Das Büro mochte langweilig sein, aber wenn der heutige Morgen typisch war, dann würde ihre Arbeit in der »National Trust Bank« alles andere als das sein.
    Es gefiel Mitch, ein Fenster nach vorne hinaus zu haben. Auf diese Weise konnte er, wann immer er eine Pause einlegte, das Kommen und Gehen beobachten. Nach fünf Jahren kannte er jeden Hausbewohner vom Ansehen und die Hälfte davon mit Namen. Wenn er genügend Zeit hatte, machte er Skizzen von den interessantesten Leuten, und wenn er zu viel Zeit hatte, erdachte er sich sogar Geschichten zu den entsprechenden Gesichtern.
    Er hielt das für eine gute Übung, zumal es ihm Spaß machte. Mitch hatte gelernt, genau hinzusehen und dann die Skizze schnell aus der Erinnerung auf das Papier zu bringen. Hester und ihren Sohn entdeckte er schon, als sie noch einen Häuserblock entfernt waren. Ihr roter Mantel leuchtete wie ein Signal. Mitch fragte sich, ob sich die kühle Mrs Wallace wohl der Auffälligkeit bewusst war. Er bezweifelte es sofort.
    Er brauchte ihr Gesicht nicht zu sehen, um es zu zeichnen. Auf dem Tisch in seinem Arbeitszimmer lag schon ein halbes Dutzend roher Skizzen herum. Während sein Bleistift über das Papier glitt, sagte er sich, ihre Züge seien so interessant, dass jeder Künstler eigentlich das Bedürfnis haben müsse, sie zu malen.
    Der Junge ging neben ihr her. Sein Gesicht verschwand fast vollständig hinter einem großen Wollschal und einer Mütze. Selbst aus dieser Entfernung erkannte Mitch, dass er eifrig auf seine Mutter einredete, die sich hin und wieder zu ihm hinunterbeugte, um ihm zu antworten. Ein paar Schritte vor dem Gebäude blieb sie stehen, legte den Kopf in den Nacken und lachte. Der Stift wäre ihm vor Faszination fast aus der Hand gefallen. Er wünschte sich, näher zu sein, um ihr Lachen hören, sie besser sehen zu können. Zu sehen, ob ihre Augen dabei vielleicht leuchteten.
    Ein paar Sekunden später waren Mutter und Sohn im Haus verschwunden. Mitch blickte auf seinen Skizzenblock. Er hatte nicht mehr als ein paar Konturen gezeichnet. Um ihr Lachen einzufangen, musste er sie von Nahem sehen.
    Er griff nach seinen Schlüsseln und wog sie in der Hand. Er hatte ihr fast eine Woche Zeit gelassen. Die zurückhaltende Mrs Wallace mochte von einem erneuten nachbarlichen Besuch nicht viel halten – er
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