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Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Titel: Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise
Autoren: Sebastian Schloesser
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bereits eine Hospitanz am Altonaer Theater gemacht und dabei Roland kennengelernt. Er war Regieassistent, und wir haben uns sehr gut verstanden. Auch nach der Hospitanz haben wir uns nicht aus den Augen verloren. Während ich vorsprechen ging und schließlich an einer privaten Schauspielschule landete, wurde Roland Dramaturgieassistent am Deutschen Schauspielhaus. Als meine Versuche, an eine staatliche Schule zu wechseln, scheiterten, hat mich Roland dann für ein Praktikum ans Deutsche Schauspielhaus geholt, und dort ging alles ganz schnell.
    Anfangs war ich noch der schüchterne lange Lulatsch in der Trainingsjacke, der den Kaffee kocht. Aber schon ein paar Wochen später stand ich mit dem neuen Ensemble auf der großen Bühne. Bei der Eröffnungspremiere, dem Startschuss zur neuen Spielzeit. Das ist so, als dürfte ein Spieler aus der A-Jugend auf einmal bei den Profis in der Bundesliga mitspielen. Praktikum vor Publikum.
    Das Stück hieß The show must go on .
    Im Parkett direkt vor der Bühne saß ein DJ und legte nacheinander neunzehn CD s mit jeweils einem bekannten Popsong auf. Die Menschen auf der Bühne machten genau das, was im Refrain des Liedes gesungen wurde. Sie kamen bei Come together zusammen, fingen bei Let’s dance an zu tanzen und so weiter. Alle taten das Gleiche, aber eben nicht dasselbe. Das war wunderschön anzusehen – zwar hat es den Schauspielern wenig Freiraum gelassen, aber dafür war nichts vorgekaut. Und damit hatten die meisten Zuschauer ein Problem. Ada fand es auch bescheuert. Schon bei der Premiere kam es zu Tumulten.
    Ausgedacht hatte sich das Ganze ein französischer Choreograph. Komiker müsste man besser sagen. Denn statt uns seine Kritik nach den Proben einfach mitzuteilen, hat er uns alle nachgespielt. Entlarvend und deshalb für einige Kollegen auch nicht ganz einfach.
    Danach habe ich als Assistent von verschiedenen Regisseuren gearbeitet. Lehrjahre im Publikum. Ein Jahr später durfte ich bereits meine erste eigene Inszenierung machen. Gesellenjahre vor Publikum. Nicht nichts hieß das Stück, bei dem ich zum ersten Mal alles selbst bestimmen durfte. Darin geht es um zwei verzweifelte junge Menschen, die nicht zueinanderfinden, weil sie sich selbst im Wege stehen. So, wie es jetzt mir ergeht. Ich stehe sozusagen zwischen mir und mir und zwischen mir und Euch.
    Das ganze Projekt lief unter dem Stichwort Jugendtheater. Es war also »Nachwuchsarbeit«, und deshalb waren wir etwas weniger unter Druck. Das Stück ist in einer Schreibwerkstatt im Haus entstanden, und ich hatte es bei seiner Vorstellung vorlesen dürfen. Hinterher fragte mich der Theaterpädagoge, ob ich die Regie übernehmen wolle. Nachdem auch der Intendant die Sache abgenickt hatte, war es so weit: Ich hatte endlich mein erstes eigenes Stück. Und ich hatte die perfekte Besetzung und zwei zauberhafte Damen zu meiner Unterstützung. Rike für die Ausstattung und Edith als Assistentin.
    Zum ersten Mal stand auf dem Probenplan zu lesen:
    Linke Spalte:
    Nicht nichts
    Kleine Probebühne
    Schlösser
    Meier
    Rechte Spalte:
    10-15 Uhr
    Szenische Probe
    Bartschneider/Henning
    Einfach der Wahnsinn!
    In dem Stück spielt eine Telefonzelle eine zentrale Rolle. Da wir keine echte auf die Bühne stellen wollten, haben wir einfach eine abgefilmt. Natürlich nicht irgendeine, sondern eine, die ganz verlassen auf der Veddel steht. Im Hintergrund rauchten die Schornsteine der Hafenindustrieanlagen.
    Den Premierenabend werde ich nie vergessen. Ich spürte eine Form der Aufgeregtheit, die mich vollkommen überwältigte und mit nichts, was ich bisher erlebt hatte, vergleichbar war. Alle waren da. Meine Familie, meine Freunde und ein paar Leute vom Schauspielhaus, die mich mochten. Ein Gefühl wie Geburtstag, Weihnachten und Silvester an einem Tag. An einem Abend!
    Nach dem kleinen Erfolg mit Nicht nichts war ich natürlich heiß auf das nächste eigene Projekt. Obwohl mir das Assistieren, vor allem bei Frisch, sehr viel Spaß gemacht hat. Frisch ist eine Legende in der Welt des Theaters und war in meiner zweiten Spielzeit als Assistent ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg gekommen. Ich habe ihm bei vier seiner Arbeiten assistieren dürfen, und es war jedes Mal grandios. Aber selber machen ist einfach was anderes. Das hast Du ja auch gleich eingefordert, kaum dass Du sprechen konntest: »Papa, selber machen!«
    Wenn man ein junger Regisseur ist, dann muss man um seine Chance wirklich kämpfen. Da wartet niemand auf dich. Es
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