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Liebe

Titel: Liebe
Autoren: R Precht
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und unter der Bettdecke, das Handwerk und die »Kunst des Liebens« wurden handlich beschrieben. Und die verballhornte Hirnforschung verrät uns in hundert Titeln, warum Frauen mit der rechten Gehirnhälfte denken und Männer mit der linken und weshalb Männer eben nichts im Kühlschrank finden und Frauen nicht einparken können. Männer werden durch Sex glücklich und wollen immer auf die Venus. Frauen dagegen suchen die Liebe oder zumindest ein Mars, denn auch Schokolade macht Frauen glücklich. Man muss also nur das richtige Buch lesen, und man lernt sich und den anderen endlich kennen. Alles wird gut. Und wenn schon nicht im wirklichen Leben, so immerhin auf den Buchseiten.
    Tatsächlich wissen wir nicht sehr viel. Und die Frage nach Mann und Frau und ihrer wechselseitigen Anziehung und Zuneigung ist ideologisch verhärteter als jede Politik. So wichtig sie uns ist – gerade bei der Liebe begnügen wir uns gerne mit Halbwissen und Halbwahrheiten. Angesichts der Bedeutung und der Brisanz des Themas ein erstaunlicher Befund. Wir sind froh für jede einfache Erklärung, lassen uns sagen, wie die Männer und die Frauen sind, obwohl wir in unserem täglichen Leben nur
Charakteren begegnen und keinen Geschlechtern. Trotzdem sind wir bei den Antworten zumeist weniger wählerisch als beim Klingelton unseres Handys, den wir so lange aussuchen, bis wir meinen, dass er tatsächlich zu uns passt.
    Gegen all dies ist es an der Zeit, die Frage nach Mann und Frau und nach der Liebe aus den alten und neuen Würgegriffen und Weltbildern zu befreien. Die Messlatte liegt hoch: »Was Prügel sind, das weiß man schon; was aber Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht«, vermutete bereits Heinrich Heine. Vielleicht muss man es auch nicht selbst herausbringen wollen. Etwa, weil es die Liebe gar nicht gibt. Und vielleicht reicht es schon, den »Wahnsinn der Götter« des Philosophen Platon und das »Gespenst« des Moralisten La Rochefoucauld mit Worten gut zu umzingeln, auf dass sie sich genauer zu erkennen geben.
    Die Liebe ist eine Welt, in der starke Emotionen bunte Vorstellungen auslösen. Das teilt sie mit der Kunst und mit der Religion. Auch hier haben wir es mit Vorstellungswelten zu tun, die ihren Wert in der unmittelbaren sinnlichen Erfahrung haben und nicht in Vernunft und Wissen. Man mag also meinen, dass diese gleitende Logik der Liebe ihren eigentlichen Platz nur in der Literatur haben kann, die sie, nach Ansicht mancher Philosophen und Soziologen, sogar erfunden haben soll. Aber sind wir mit den Dichtern wirklich schon am Ende?
    In einem Kapitel meines Buches Wer bin ich ? hatte ich in einem kleinen Kapitel über die Liebe nur mit der Taschenlampe in den Nachthimmel geleuchtet. Es machte mich selbst neugierig, eine Galaxie zu erkunden und ein Universum zu vermessen, das uns so vertraut ist und so fremd zugleich. Denn erstens hat die Liebe vor allem mit uns selbst zu tun, jedenfalls immer mehr als mit irgendjemandem anderen. Und zum zweiten scheint es zur Liebe dazuzugehören, dass sie sich dem Liebenden selbst in gewisser Weise verbirgt. Die Liebe spielt nicht mit ganz offenen Karten – und das ist natürlich gut so. Unsere Begeisterung und Besessenheit, unsere Leidenschaft und unsere kompromisslose
Kompromissbereitschaft gedeihen nicht bei tagheller Beleuchtung. Sie brauchen auch immer das Dunkel, das die Liebe umgibt.
    Wie schreibt man darüber ein Buch? Über etwas so Privates, Unenthülltes, wundervoll Illusionäres wie die Liebe? Nun, aus diesem Buch werden Sie nichts lernen, das Ihre Fähigkeiten im Schlafzimmer verbessert. Es hilft Ihnen auch nicht weiter bei Orgasmus-Schwierigkeiten und Eifersuchts-Attacken, Liebeskummer und Vertrauensschwund in den Partner. Es erhöht nicht Ihre Attraktivität. Und es enthält keine Tipps und kaum kluge Ratschläge für den Alltag zu zweit. Vielleicht aber kann es dazu beitragen, dass Sie sich über ein paar Dinge bewusster werden, die Ihnen vorher unklar waren; dass sie Lust haben, dieses so verrückte Reich genauer zu vermessen, in dem wir (fast) alle leben möchten. Und möglicherweise denken Sie gemeinsam mit mir ein wenig über Ihr geschlechtliches und soziales Rollenverhalten nach und über Ihre als selbstverständlich und normal eingeschliffenen Reaktionen. Vielleicht haben Sie Lust, in Zukunft manchmal ein wenig intelligenter mit sich selbst umzugehen – aber natürlich nur, wenn und wann Sie möchten.
    Genau darin, so denke ich, liegt heute der Sinn von
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