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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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endlich zu begreifen, worum es hier wirklich ging, aber es gelang mir nie, während alle Leute um mich herum offenbar Bescheid wussten. Linda zum Beispiel hatte es genau begriffen, und dann hatte sie sich mit Erfolg in die Liebe gestürzt.
    »Wirklich Spaß macht es mir«, sagte ich wahrheitsgemäß, »mich schick anzuziehen.«
    »Oh, mir auch! Denkst du auch immer nur an Kleider und Hüte, sogar in der Kirche? Mir geht es genauso. Übrigens himmlischer Tweed, Fanny, ist mir sofort aufgefallen!«
    »Aber er bauscht«, sagte ich.
    »Tweed bauscht immer, außer an sehr eleganten, sehr schlanken und zierlichen Frauen, wie Veronica. Freust du dich, wieder in deinem Zimmer zu wohnen? Es ist dasselbe, das du früher immer hattest, erinnerst du dich?«
    Natürlich erinnerte ich mich. Immer hatte mein vollständiger Name »The Honble Frances Logan« in gestochen scharfer Zierschrift auf einer Karte an der Tür gestanden, schon als ich noch so klein war, dass ich mit einem Kindermädchen kam, und als Kind hatte es mich immer sehr beeindruckt und gefreut.
    »Willst du das heute Abend anziehen?«
    Polly trat an das riesige Himmelbett, auf dem mein Kleid ausgebreitet lag.
    »Wie hübsch – grüner Samt und Silber, wirklich traumhaft, und so weich, bezaubernd.« Mit einer Falte des Rocks strich sie sich über die Wange. »Meins ist aus Silberlamé, wenn es warm wird, riecht es wie in einem Vogelkäfig, aber ich mag es trotzdem. Bist du nicht auch froh, dass die Röcke wieder lang sind? Aber erzähl mir mehr davon, wie es ist, wenn man in England ›eingeführt‹ wird.«
    »Bälle«, sagte ich, »Lunchpartys für Mädchen, Tennis, wenn man’s kann, man geht zu Dinnerpartys, ins Theater, nach Ascott, dann die Vorstellung bei Hof. Ach, ich weiß nicht, ich glaube, du kannst es dir ungefähr vorstellen.«
    »Und sind alle so wie die Leute da unten?«
    »Du meinst das ewige Geplapper? Ja schon, aber die Leute unten sind alt, Polly. Wenn man eingeführt wird, hat man es vor allem mit Gleichaltrigen zu tun, verstehst du.«
    »Die da unten finden überhaupt nicht, dass sie alt sind«, sagte sie lachend.
    »Aber sie sind es«, sagte ich.
    »Auch mir kommen sie eigentlich nicht alt vor, aber das liegt wohl daran, dass sie neben Mami und Daddy so jung wirken. Überleg mal, Fanny, deine Mutter war noch gar nicht geboren, als Mami geheiratet hat, und Mrs Warbeck war gerade so alt, dass sie Brautjungfer sein konnte. Mami hat es mir erzählt, bevor du gekommen bist. Nein, aber was ich wirklich wissen möchte: Wie ist das mit der Liebe, wenn man eingeführt wird? Haben alle die ganze Zeit über irgendwelche Liebesaffären? Reden sie von nichts anderem?«
    Ich musste zugeben, dass dies der Fall sei.
    »So ein Mist! Ich wusste, dass du das sagen würdest – in Indien war es natürlich genau dasselbe, aber ich dachte, vielleicht hier, unter diesem kalten Himmel …! Egal, aber erzähl Mami nichts davon, wenn sie dich fragt, tu so, als wäre englischen Debütantinnen die Liebe einfach schnuppe. Mami bekommt schon Zustände, weil ich mich nie in irgendwen verliebe; die ganze Zeit liegt sie mir damit in den Ohren. Aber es hat keinen Zweck – was nicht ist, ist nicht. Und eigentlich finde ich das in meinem Alter auch ganz natürlich.«
    Ich sah sie überrascht an, denn ich fand es höchst unnatürlich, obwohl ich gut verstehen konnte, dass man über solche Dinge mit Erwachsenen nicht sprechen will und schon gar nicht mit Lady Montdore, wenn man zufällig ihre Tochter war. Aber jetzt kam mir ein neuer Gedanke.
    »Hättest du dich denn in Indien überhaupt verlieben können?«, fragte ich sie.
    Polly lachte. »Liebe Fanny, wovon sprichst du? Selbstverständlich hätte ich gekonnt, warum denn nicht? Es ist einfach nicht dazu gekommen, verstehst du?«
    »In Weiße?«
    »Ob weiß, ob schwarz«, sagte sie neckisch.
    »Sich in einen Schwarzen verlieben?« Was hätte Onkel Matthew dazu gesagt?
    »Es kommt vor, und gar nicht so selten. Natürlich, du kannst dir so einen Radscha nicht vorstellen, aber manche von ihnen sind außerordentlich anziehend. Ich hatte eine Freundin dort, die wäre aus lauter Liebe zu einem von ihnen fast gestorben. Und ich kann dir sagen, Fanny, Mami sähe es bestimmt lieber, dass ich mich in einen Inder verliebe, als überhaupt nicht. Natürlich hätte es einen furchtbaren Aufstand gegeben, und ich wäre sofort nach Hause geschickt worden, aber im Grunde genommen hätte sie es für eine gute Sache gehalten. Ihr macht es Kummer,
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