Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)

Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)

Titel: Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
Autoren: Lucy-Anne Holmes
Vom Netzwerk:
fange ich an, meinen Text zu üben.
    »O mein Gott«, stoße ich keuchend aus und schlage die Hände vors Gesicht in gespielter Überraschung. Ich muss kichern. Ich bin so mies im Schauspielern. »O. Mein. Gott.« Ich versuche es mit einer höheren Stimmlage. Schon besser, aber nicht viel. »Argh! Das gibt es nicht!«, kreische ich, was einfach nur grauenhaft ist.
    Ich habe ein Problem. Es ist für jeden ziemlich offensichtlich, dass ich zur Bezirksleiterin ernannt werde. Ich bin die beste Maklerin der Firma, und Ken Bradbury selbst hat mir im Prinzip schon gesagt, dass ich die Stelle bekomme. Seine Entscheidung werde sich stark zu meinen Gunsten auswirken, hat er letztens mit einem Augenzwinkern gesagt. Das hätte nicht deutlicher sein können. Deshalb ist das Ganze eigentlich nur eine Formsache. Ken hält gern große Samstagmorgenansprachen, wenn eine Stelle in unserer Firma neu besetzt wird. Er denkt, das fördere eine gesunde Rivalität in der Belegschaft. Ich habe schon jede Menge dieser Ansprachen gehört, und es ist dabei sehr wichtig, so zu tun, als sei man überrascht. Einmal habe ich erlebt, dass ein Kandidat einfach nur nickte und sich erhob, um Ken die Hand zu schütteln. Kein Keuchen, keine Tränen, kein geistreicher Spruch. Wir hatten ein Wort für diesen Mann: Großkotz.
    Bei MAKE A MOVE sind meine beste Freundin Friendly Wendy und ich die einzigen Vertreter des schönen und schwachen Geschlechts. Die übrige Belegschaft vertritt das Geschlecht, das den Daily Star liest und sich gern gegenseitig Büromaterial an den Kopf wirft. »Männer« lautet die fachliche Bezeichnung dafür, obwohl Friendly Wendy und ich den passenderen Ausdruck »Hornochsen« bevorzugen.
    Der Kerl, der zu seiner Beförderung nickte, bekam letzten Endes den Spitznamen »Großmotz«. Es begann mit Sprüchen wie »Großmotz meckert« und »Großklotz kleckert«. Aber da uns irgendwann die Reime ausgingen, hatte das einen begrenzten Humorwert, und letzten Endes landeten wir wieder bei »Großkotz«, woraus dann schließlich »Großmotz« wurde – und dabei blieb es. Der Spitzname von Ken Bradbury kam auf ähnliche Weise zustande. Zuerst war er unter seinen Initialen » KB « bekannt, daraus wurde dann später das organischere »Schleimi«.
    Ich darf nicht großkotzig wirken, wenn ich ernannt werde. Großmotz hat inzwischen die Firma verlassen, und es ist seine Stelle, die ich übernehmen werde. Ich möchte nicht »Großmotz 2« genannt werden oder »Lady Großmotz«. Oder »Klein Schleimi«. Falls ich überhaupt einen Spitznamen bekomme, dann soll es »Chefin« sein.
    Ich räuspere mich und mache den nächsten Versuch – dieses Mal entscheide ich mich für sanft und anmutig. »Ach, du meine Güte, Ken, danke schön«, sage ich auf eine Art, die, wie ich hoffe, dezent überwältigt klingt. »Ich verspreche dir, ich werde dich nicht enttäuschen. Ich liebe diese Firma. Ich habe hier vor über fünf Jahren ganz klein angefangen als Samstagsaushilfe für den Telefondienst. Und heute erhalte ich diese unglaubliche Chance. Was für eine Ehre! Ich danke dir, Ken, für deine Unterstützung und Führung. Ich werde dafür sorgen, dass MAKE A MOVE die Agentur in London sein wird, an die die Menschen sich als Erstes wenden, wenn sie eine Immobilie erwerben möchten.« Das wird Ken sicher gefallen. »Und euch werde ich Feuer unterm Hintern machen, Jungs«, füge ich mit einem finsteren Blick zu den Herren der Schöpfung hinzu.
    Nachdem ich meine kleine Rede beendet habe, pocht mein Herz laut. Ich betrachte mein Spiegelbild. Ich sehe aus wie die alte Gracie Flowers: ein eins zweiundfünfzig kleiner Zwerg mit langen blonden Haaren. Ich bin immer noch pummliger, als ich sein möchte, aber ich fühle mich fantastisch.
    Ich habe so hart auf diesen Tag hingearbeitet, und nun ist er da. Ich habe es geschafft. Ich schwebe wie auf Wolken zu meinem Fünfjahresplan hinüber, der laminiert und eingerahmt im Bad an der Wand hängt. Ich drücke einen Kuss darauf und gehe weiter zur Fensterbank, wo ich kurz beim Anblick meines Kaktus zusammenzucke. Ich bin mir sicher, dass mir mal irgendwer gesagt hat, Kakteen seien nicht kaputtzubekommen. Derjenige muss wohl etwas falsch verstanden haben. Ich starte den CD -Player und lausche Feeling good von Nina Simone.

3
    Ich hatte nicht immer den Wunsch, Immobilienmaklerin zu werden. Wie die meisten Mädchen wollte ich Sängerin werden. Aber wie die meisten Mädchen wurde ich erwachsen.
    Allerdings erinnere ich mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher