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Liebe Hoch 5

Liebe Hoch 5

Titel: Liebe Hoch 5
Autoren: Adriana Popescu , Katrin Koppold , Ivonne Keller , Katelyn Faith , Nikola Hotel
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marschiere ich erhobenen Hauptes aus dieser Tür in Richtung meines Schicksals. Irgendwo da draußen liegt ein kleines Wunder, das auf seine Verwirklichung wartet. Dieses Wunder wird Kinderaugen zum Leuchten bringen, und sie werden mit offenen Mündern das eben Geschehene verarbeiten. Ja, ich werde … Was für einen Unsinn rede ich denn da? Ich kann doch nicht mal eine Beziehung retten. Ich kann keine Kinder zum Lachen oder Strahlen bringen. Ich bin, machen wir uns nichts vor, das Paradebeispiel einer Niete. Genau das bin ich und alles andere ist Quatsch. Wunder? Weihnachten? Bullshit! Es wird Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen. In dem runden Spiegel über der Zapfsäule wird mein Anblick durch die Fischaugenoptik etwas verzerrt, aber ich bin, was ich bin. Kein Wunder, dass er nichts mit mir zu tun haben will. Peinlich genug, dass ich mich kostümieren muss, um ihn zu sehen. Und selbst als Weihnachtsmann mache ich eine erbärmliche Figur.
    Ein kleiner VW Golf kommt ruckelnd auf die Tankstelle zu, doch bevor er die letzten Meter auf den Parkplatz schaffen kann, bleibt er genau in der Einfahrt stehen, gibt ein letztes Krächzen von sich und dann – passiert nichts mehr. Als hätte man einen antrabenden Elefanten mit einem gezielten Betäubungspfeil ausgeknockt. Naja, vielleicht auch eher einen Waschbären. Einen kurzen Moment bleibe ich stehen, um zu beobachten, was als nächstes passiert. Ein letztes heldenhaftes Aufbäumen? Nein. Nur die Fahrertür geht auf. Ich warte ab, wer aussteigt. Brauchen die Insassen Hilfe? Als ich einen Schritt auf den Wagen zu machen will, steigt eine Frau aus, die ich sofort erkenne. Sie kommt auf die beleuchtete Tankstelle zugerannt. Sie hingegen scheint mich nicht zu erkennen … oder sie will mich nicht erkennen. Wie oft trifft man einen busfahrenden Weihnachtsmann?
    Ich winke, aber auch das hält sie nicht auf – sie stürzt an mir vorbei ins Innere der Tankstelle, wo sie wild gestikulierend mit dem Mann spricht, der mich vor einigen Minuten noch ausgelacht hat. Durch die Glasscheibe kann ich die beiden beobachten. Gelacht wird nicht, dafür gibt es Kopfschütteln, Gerede und Schulterzucken.
    »Hallo.«
    Man möchte meinen, als ausgewachsenen Mann sollte mich eine Mädchenstimme nicht so erschrecken. Aber zu meiner Verteidigung: Ich habe nicht damit gerechnet. Schon gar nicht abends auf einem Tankstellenparkplatz. Aber da steht sie, Lara, und lächelt mich an.
    »Hallo, Kleines.«
    Sie lächelt und zeigt wieder die unvollständige obere Zahnreihe. Süß. Kurz tut ihr Anblick irgendwo zwischen Rippenfell und Zwerchfell weh. Wie das Stechen nach einem Halbmarathon ohne Vorbereitung.
    »Wir fahren zu Papa.«
    Ich werfe einen Blick an ihr vorbei zum Golf, der noch immer wie abgeschossen dasteht, beide Türen geöffnet. Kein Licht. Keine Regung. Tot.
    »Das ist doch super.«
    Allerdings hoffe ich, der Plan war nicht, mit diesem Wagen zu fahren, denn das wird nichts mehr. Zumindest nicht mehr heute. Es sei denn, die Gelben Engel retten dieses erlegte Waschbären-Auto.
    »Lara! Wieso bist du ausgestiegen?«
    »Weil der Weihnachtsmann …«
    »Das ist nicht der echte Weihnachts…«
    Jetzt reicht es mir. Ja, ich bin nicht der echte , das hat sie ganz schnell und clever bemerkt. Aber muss das sein?  
    »Hören Sie, ich mag für Sie vielleicht nicht der echte Weihnachtsmann sein, aber erleiden Sie körperliche Schmerzen, wenn Sie Ihre Tochter in dem Glauben lassen würden?«  
    Okay, ganz so unhöflich wollte ich gar nicht klingen – aber es tut weh, das zu hören. Schon wieder. Nicht nur von ihr, sondern auch von …
    »Wollen Sie mir erklären, wie ich mein Kind erziehen soll?«
    Ihre Stimme hat einen zischenden und sehr gereizten Unterton angenommen. Obwohl wir nicht in einer Gewichtsklasse boxen würden, tippe ich darauf, dass sie mich im Ernstfall mit einem Stiefeltritt in die Weichteile außer Gefecht setzen könnte.
    »Nein. Aber Kinder dürfen doch wohl noch etwas träumen!«
    Damit nicke ich zu Lara, die zwischen ihrer Mutter und mir hin- und hersieht und ganz offenbar nicht versteht, worum sich diese Erwachsenen gerade streiten. Für sie ist die Sache offensichtlich: Ich bin der Weihnachtsmann und ihre Mama der Bad Cop, der mir Ärger machen will.
    »Wenn Sie mal eigene Kinder haben, können Sie es ja besser machen.«
    Damit nimmt sie Laras Hand und führt sie einige Schritte von mir weg. Sie ist wütend. Auf mich. Nicht, weil ich nicht der echte Weihnachtsmann bin, sondern
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