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Liebe auf Arabisch

Liebe auf Arabisch

Titel: Liebe auf Arabisch
Autoren: B. Leïla
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Auch meine Freundinnen blieben stumm, ihnen war es verboten, in der Öffentlichkeit mit einem Mann zu sprechen oder auch nur ihre Stimme erklingen zu lassen. Sie blieben lediglich stehen, während ich fast mein gesamtes Gesicht mit dem Schleier bedeckte.
    An jenem Tag begriff ich, wie sehr der Niqab einem Gefängnis glich. Er kam mir plötzlich nicht mehr vor wie ein Stück Schutz, wie ein tugendhaftes Versteck. Nein, es handelte sich nicht um ein harmloses Stück Stoff. Der Niqab symbolisierte die absolute Herrschaft des Mannes und die grenzenlose Macht selbst des Dümmsten unter ihnen, uns herumzukommandieren.
    Ich war in ebendiese Gedanken vertieft, die eine Hand am Kopftuch, damit es nur ja nicht wieder verrutschte, als ich eine leise Stimme hinter Farah hörte:
    »Umm Rachid! Umm Rachid!«
    Zu Hause nutzte Joumana die Gelegenheit, um ihrer Nichte Iqbal eine doppelte Lektion zu erteilen und rief ihr in Erinnerung, dass es sich nicht nur nicht gehörte, als Frau auf der Straße das Gesetz der Stille zu brechen, sondern auch noch etwas anderes:
    »Du solltest eine Frau mit ihrem Vornamen ansprechen, nicht mit dem Namen ihres Sohnes. Wir haben keinen Beruf und keine Rechte, da sollten wir wenigstens einen Namen haben, oder?«

    »Ja, Tante«, sagte Iqbal, die sich gerade die gleiche Frisur wie Joumana hatte schneiden lassen und ein raues Baumwollhemd über einer sehr weiten Jeans trug, die mich ein wenig an die Sarouel-Hosen meiner Großväter erinnerte.
    Tatsächlich hatte sich Iqbals militante Ader zunehmend verstärkt. Die junge Frau sprach sogar davon, das Königreich zu revolutionieren und hielt die Ansichten ihrer Tante bereits für schüchtern und borniert. Wie eine Löwin drehte sie ihre Runden in einem Haus, das sie nun ihre »Zelle« nannte, in einem Land, das für sie nur noch der »Knast« war und unter den wachsamen Augen eines Vaters, der für sie nun »Diktator« hieß. Sie las uns übersetzte Passagen von Simone de Beauvoir vor. Joumana hing ihrer neuen Kampfgefährtin förmlich an den Lippen.
    Salma, die wieder in unsere Runde zurückgekehrt war, sagte beim Anblick einer sportlichen jungen Frau, die gerade im Fernsehen eine Felswand erklomm:
    »Wie ich solche Frauen bemitleide.«
    Anscheinend hatte sie gesprochen, ohne darüber nachzudenken. Seit ihrer Reise nach Beirut und ihrer langen Abwesenheit hüteten wir uns, ihr Widerworte zu geben. Keine von uns erwähnte mehr den Stand ihrer Ehe. Farah vermutete, dass sie Mahmoud in Beirut mit einem seiner Süßen erwischt hatte. Soha fand den Gedanken einfach zu schrecklich.
    Joumanas Mut war vonnöten, um der armen Salma zu widersprechen.
    »Diese Frauen sind vielleicht erschöpft, maskulin und hässlich, aber glücklich sind sie allemal. Ich wäre gerne wie sie, würde auf Berge klettern, mich im Wald verlaufen, meinetwegen sogar auf der Straße betteln gehen. Hauptsache ich wäre frei.«

     
    Ich dachte an die vielen Marokkanerinnen, die liebend gerne ihre Bettlerexistenz gegen die Joumanas getauscht hätten. Und, als hätte sie meine Gedanken gelesen, drehte sie sich plötzlich zu mir:
    »Sag mal, was gibt es eigentlich Neues von deiner Cousine Nora? Ist sie immer noch auf dem Weg der Buße oder hat sie sich mittlerweile davon erholt?«
     
    Ich hatte noch gar nicht erzählt, wie sehr mich bei meiner letzten Rückkehr nach Marokko der Anblick meiner Cousine überrascht hatte, die in einer alten Djellaba dasaß, die Haare streng unter einem Kopftuch versteckt, mit blassem Gesicht und ohne einen Tupfen Make-up.
    »Was ist denn mit dir los, Nora?«, hatte ich gefragt.
    »Meine Pilgerfahrt hat mich auf den Weg Allahs geführt, alhamdulillah!«
    Kaum zu glauben, dass sie vor weniger als einem Jahr noch überall in ihrer aufreizenden Montur herumgelaufen war, geschminkt, mit ausladendem Dekolleté und hautenger Jeans, die so tief auf der Hüfte saß, dass sich der Hauch von einem Tanga schon erahnen ließ.
    »Außerdem hat Gott mir ein großes Geschenk gemacht: Ich habe mich mit Khaled verlobt.«
    »Mit dem Imam aus der Moschee?«
    »Ja.«
    »Aber der ist doch schon verheiratet.«
    »Genau. Ich werde seine Zweitfrau. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss.«
    An ihrer strengen Miene ließ sich ablesen, dass sie keine Kritik akzeptieren würde. Ich versuchte zu lächeln, doch sie wandte sich ab und deutete das Ende meines Besuchs an. Als ich sie verließ, traf ich in der Küche ihre Mutter, die noch bedrückter wirkte als ich es war.

    »Stell dir
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