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Lichtschwester - 8

Lichtschwester - 8

Titel: Lichtschwester - 8
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Kunst des waffen-
losen Kampfes beherrschte, die man vormals in den Nordbergen
lehrte, hatte sie ihm verschwiegen. Es gab unter den Lebenden nur
einen, der um ihr Geheimnis wußte. Den anderen hatte es den Tod
gebracht.
    Die Reise war trotz der jahreszeitlichen Risiken drei Monate lang
glücklich verlaufen - bis dann, nur noch drei Tagesritte von den
Westbergen entfernt, ein haschberauschter Wächter diese Steppe
in ein Flammenmeer verwandelt hatte.
    Als Nelerissa dann aus dem Fluß kletterte, war die Welt grau und
schwarz geworden. Die Erde war verbrannt, der Wald ein rau-
chendes Skelett und die Straße knöcheltief mit grauer Asche be-
deckt, und die Sonne ging an einem rauchverhangenem Himmel
unter. Nelerissa machte sich nach Westen auf und richtete ihre
Schritte dabei nach dem einzigen Farbtupfer in dieser schwarz-
grauen Öde: dem riesigen und blutrot leuchtenden Feuerball der
versinkenden Sonne.
    Kein Sternenfunkeln durchbrach den dichten Schleier aus Rauch
und Asche, als die Nacht hereingebrochen war. Und Nelerissa
stolperte durchs Dunkel. Nur am Tapsen ihrer durchtränkten
Stiefel erkannte sie, daß sie noch auf der alten Flußstraße war.
  Und sie war so tief in ihrer Trance, die ihr Hunger, Schmerz und
Angst nahm, daß sie nicht einmal ihre Ohnmacht nahen spürte.
    Barbaren vom kriegerischen Reitervolk der Goldenen Steppe
beugten sich über sie, als sie im Morgenlicht zu sich kam. Drei
oder vier der halbnackten Wilden halfen ihr auf. Und sie starrte in
all die grell bemalten Gesichter, auf das bunte Lederzeug und den
Zierat, mit dem sie überreich beladen waren. Für Diebsaugen wie
die ihren waren diese Kerle mit ihren knalligen Messingfußreifen
und feinen Goldringen, mit ihren edelsteinübersäten Brustschil-
den, billigen, kupferdrahtumwickelten Armreifen und Halsketten
aus geschliffenem Glas ein schmerzlicher Anblick und eine Krän-
kung! Aber Nelerissa verbiß sich jede Bemerkung: Es waren ja nur
Wilde. Nun flüsterten sie auch noch in einer rauhen, gutturalen
Zunge miteinander, die sie nicht verstand. Und sie selbst hatte
noch nicht die Kraft zu sprechen.
    Einer dieser Barbaren, die erstaunlich zuvorkommend zu ihr wa-
ren, sah sie nun so Auge in Auge an, daß sie das Fett in seinen
Haaren roch, und sagte: »Fremde, du stehst unter dem Schutz der Götter!« Er sprach das Reichsidiom, mit ganz leichtem Akzent. » Du
hast das Feuer der Sommerhölle durchquert. Die Götter haben dich
geläutert und dich für eine große Aufgabe erwählt… Wir dulden
sonst keine Fremden, stellen uns aber den Göttern nicht in den
Weg. Ihr Wille geschehe! Sobald unser Schamane dich gesundge-
pflegt hat, bringen wir dich zu deinem Volk zurück.«
  Nelerissa starrte ihn traurig an. Ihre Leute waren doch tot oder in
alle Winde verstreut - von den Truppen Arehernas massakriert,
versklavt, vertrieben worden! Die wilden Steppenvölker hatte nur
ihre Todesverachtung vor jenem Los bewahrt: Denn diese Barbaren
töteten bei hoffnungsloser feindlicher Übermacht sich selbst und
ihre Angehörigen - und ihre Pferde. Und da hatten ein paar kluge
Reichsbürokraten begriffen, daß der Nachschub an edlen Walla-
chen, die selbst die besten Zuchtpferde des Reichs schlugen, in
Gefahr kam, und hatten zu einem Frieden und Bündnis mit ihnen
gedrängt. So war das barbarische Reitervolk sogar zur einzigen
Nation mit Meistbegünstigtenstatus geworden. Wilde waren diese
Leute dennoch geblieben.
    Und Nelerissa fragte sich, ob diese Kerle sie wirklich durch die
Goldene Steppe zurückschleppen wollten. Sicher, sie würden dank
ihrer schnellen Pferde und ihrer Kenntnis geheimer Oasen weitaus
zügiger vorankommen als ihre Karawane - aber doch wenigstens
zwei Monate für den langen Weg brauchen.
    Aber bevor sie darauf eine Antwort finden konnte, schwanden ihr
wieder die Sinne.
    Sie träumte.
    Dräuende Schatten begleiteten ihre Flucht nach Süden und Osten,
längs endloser bergiger Gestade … in die Hauptstadt des Reichs.
  Aus den Schatten der Slums trat der ranke, schlanke Mann, ein
Fremder in einer fremden Stadt, der mit jähen Hieben die letz-
ten vier jener Kerle erledigte, die sie angefallen hatten. Schatten
huschten im selben Takt wie sie und ihr Retter, als er sie im Um-
gang mit Dolch und Schwert zu höchster Perfektion führte und
sie die Kunst des Beutelschneidens, Einschleichens und Einbruchs
lehrte. Und Schatten tanzten, als sie in einem langen, spärlich erleuchteten Saal mit einem anderen Flüchtling aus den Nordbergen, den sie
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