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Liberator

Liberator

Titel: Liberator
Autoren: Richard Harland
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das blond-schwarz gescheckte Haar … Sie beeindruckte ihn genauso stark wie das allererste Mal, damals, als sie darum gebettelt hatte, sich in seiner Kabine verstecken zu dürfen.
    Doch gerade jetzt schien sie einen Kloß im Hals zu haben, und Col meinte zu erkennen, dass ihre Wangen feucht waren. Warum? Es leuchtete ihm nicht ein, dass sie wegen eines bloßen Sabotageaktes weinen sollte.
    Keine Minute später erhielt er die Antwort. Jemand war in den Saal getreten, und die Menge machte einen Weg frei. Col stellte sich wieder auf Zehenspitzen und konnte eine Prozession von etwa einem halben Dutzend Dreckigen mit Shiv an ihrer Spitze einziehen sehen. Sie trugen eine notdürftig zusammengeschusterte Trage, auf der sich eine zusammengesunkene Gestalt unter einem blutgetränktem Tuch abzeichnete.
    Ein lautes Stimmengewirr erhob sich, unterbrochen von Schreien und Stöhnen. Col war von einer entsetzlichen Vorahnung erfüllt und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die Prozession führte nah an ihm vorbei, und das blutgetränkte Tuch war nicht groß genug, den ganzen Körper zu bedecken. An dem einen Ende war ein lebloser Fuß zu sehen, am anderen ein Kopf. Die Augen waren blickleer, der Mund war weit offen und leblos und der Hinterkopf zu Brei zerschmettert. Es war Zeb vom Revolutionsrat.
    02
    »Zeb war auf’m Weg zu mir«, teilte Shiv der Menge mit einer Stimme mit, die nichts Gutes erahnen ließ. »Er wollte mit mir über unsere Kohlevorräte sprechen. Er hat den Dampffahrstuhl nach unten genommen und wurde beim Aussteigen ermordet. Arram hat ihn gefunden.«
    Arram war einer von denen, die die Trage nun auf den Boden stellten. Auf Shivs Zeichen hin trat er nach vorn, um zu berichten, was sich abgespielt hatte. Er war nackt von der Hüfte aufwärts, was darauf hindeutete, dass er unter Shivs Kommando Unten an den Kesseln und Turbinen arbeitete.
    »Ich war grad mit meiner Schicht fertig und hab mich auf den Weg zum Deck 1 gemacht, um da den Dampffahrstuhl zu nehmen«, begann Arram. »Also, den neben Tür 14. Ich wusste, dass was passiert ist, als ich das Blut gesehen hab. Da lag Zeb, im Fahrstuhl. Ich hab ihn umgedreht und gesehen, dass sein Hinterkopf völlig zertrümmert war.« Er zog hörbar die Nase hoch und wischte mit seinem Handrücken darüber. Er war sicherlich nicht älter als dreizehn Jahre.
    »Los, weiter«, spornte ihn Shiv an. »Du hast um Hilfe gerufen …«
    »Genau, ich hab um Hilfe gerufen. Dann hab ich mich umgesehen und die Mordwaffe gefunden. Lag einfach so rum. Einfach so. Ganz dreist.«
    Shiv drehte sich zu einem Mädchen, das mit der Gruppe der Träger gekommen war. »Zeig ihnen die Waffe, Lye.«
    Lye hielt einen riesigen Schraubenschlüssel in die Höhe, er war so lang wie ihr Unterarm. »Ist Blut dran«, sagte sie und zeigte auf das Ende des Schraubenschlüssels. »Der Saboteur muss mindestens zweimal mit dem Schraubenschlüssel auf Zeb eingeschlagen haben.«
    »Woher weißt du eigentlich, dass es der Saboteur war?«, fragte Riff.
    »Gute Frage«, parierte Shiv und drehte sich zu dem Mädchen. »Zeig’s ihnen, Lye.«
    Col hatte das Mädchen noch nie vorher gesehen, denn er hätte sich jederzeit an sie erinnert. Sie war auffallend schön mit ihrem blassen Teint und dem samtschwarzen Haar, das sie mit einem Band streng zurückgebunden hatte. Sie war weder groß noch klein, stand aber auf eine für Dreckige untypische Weise sehr aufrecht da.
    Lye griff in die Tasche ihrer Hose und hielt zwei kleine Metallgegenstände hoch. Col war zu weit weg, um erkennen zu können, worum es sich handelte, aber Shiv begann bereits zu erklären. »Jeder Dampffahrstuhl hat ’n Leitkabel, das um ’ne Rolle am unteren Ende läuft. Und das hier sind die Muttern von den Bolzen, die die Rolle halten. Er hatte schon zwei von vier Muttern losgemacht. Hätte er die anderen beiden auch losgemacht, hätte sich das Laufrad gelöst und die ganze Plattform wäre abgestürzt.«
    Als alle so langsam verstanden, was geschehen war, kochte und brodelte es in der Menge.
    »Wir glauben Folgendes«, setzte Shiv wieder an. »Der Kerl ist grade bei der Sabotage, als er den Fahrstuhl runterkommen sieht. Er wartet, bis er da ist, und greift dann sofort Zeb an, und zwar mit demselben Schraubenschlüssel, mit dem er vorher die Bolzen losgedreht hat.«
    Padder vom Revolutionsrat sprach durch seine zusammengebissenen Zähne. »Er hätte sich doch einfach verstecken können, er musste doch nicht töten!«
    »Wenn er das einmal gemacht
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