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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land
Autoren: Patricia Shaw
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unserem neuen Heim. Der Hof ist zehnmal größer als das größte Gut in unserer alten Heimat, und es gibt dort schon ein fertiges Haus. Schade, dass wir England verlassen mussten, aber in der neuen Welt können wir reich werden.«
    Clem hörte die Aufregung in Noahs Stimme, als er ihn und seine Schwester auf den Wagen hob, die Zügel ergriff und das neue Pferd antrieb. Er grinste ebenfalls und freute sich, dass sein Vater so gut gelaunt war.
    Doch sie hatten den Hof noch nicht gesehen.
     
    Noah richtete sich nach der Landkarte, die man ihm zugeschickt hatte, und erkundigte sich unterwegs mehrmals nach dem Weg. Schließlich stieß er am Ende eines Buschpfades, der kaum den Namen Straße verdiente, auf sein Land. Da war es – ein Schild, festgenagelt an einem Pfosten, verkündete: »Winslow Farm«.
    Inzwischen hatte Noahs Stimmung sich verdüstert, doch Clem glaubte, das läge an der langen Fahrt und dem Einbruch der Dunkelheit.
    »Wo ist das Haus?«, wollte er wissen.
    »Nicht mehr weit«, antwortete Noah. Sie folgten einem holprigen Pfad und orientierten sich dabei an Pfeilen, die an Baumstämme genagelt worden waren, bis sie auf eine Ansammlung baufälliger Schuppen stießen.
    »Wo ist das Haus?«, fragte Alice. Statt zu antworten, drückte ihr Noah die Zügel in die Hand. »Wartet hier. Ich sehe mich mal um.«
    Als er zurückkam, sah er aus, als würde er gleich explodieren, und die Kinder zuckten zusammen. »Das ist es. Steigt aus.«
    »Sieht aber nicht so toll aus«, bemerkte Clem, doch Alice hieß ihn zu schweigen. »Sei still. Meinst du etwa, Pa wüsste das nicht?«
    Entsetzt folgten sie Noah zum nächstgelegenen Schuppen. Im Licht der Laterne erkannten sie, dass dies tatsächlich ihr neues Heim war. Es bestand aus einem einzigen großen Raum mit vier Fenstern ohne Scheiben. Stattdessen hatte jemand grobes Sackleinen über die Fensteröffnungen gespannt. Über ihren Köpfen befand sich nacktes Wellblech, unter ihren Füßen festgestampfte Erde. Das Mobiliar umfasste schmutzige Wandbetten, einen kahlen Tisch mit Stühlen, der beim offenen Kamin am anderen Ende des Raumes stand, und zu ihrer Überraschung einen neuen Küchenschrank aus Kiefernholz.
    Clem schnüffelte. Hier stank es, und er spürte unter seinen Füßen den knirschenden Kot irgendwelcher Tiere, vermutlich von Ratten oder Mäusen. Er schaute zu Noah hinüber, der mit verschränkten Armen ihr armseliges Heim betrachtete und vor Wut kochte.
    Plötzlich wurde er aktiv. »Es hat keinen Sinn, hier nur herumzustehen und zu glotzen«, sagte er. »Wir müssen die Nacht hier verbringen und werden zunächst einmal Feuer anzünden und dann gründlich sauber machen.«
    Während sie kehrten und Staub wischten, Eimer mit Wasser vom Brunnen herbeischleppten, um den Dreck abzuwaschen, die muffigen Matratzen hinauswarfen und das Nötigste aus dem Wagen hereinbrachten, machte Clem sich Gedanken. Er hatte Hunger.
    »In diesem Haus gibt es nichts zu essen. Was machen wir jetzt?«
    Alice quälte sich ein Lächeln ab. »Keine Sorge. Pa hat eine Kiste Proviant bei einem Händler an der Mole gekauft. Den Rest besorgt er morgen. Hier muss es irgendwo einen Laden geben.«
    An diesem Abend sprachen sie weder vor noch nach dem Mahl aus Brot und Speck ein Dankgebet, weil ihr Vater nicht in der Stimmung war, irgendjemandem zu danken.
    Clem schlief unruhig. Ihn plagten Sorgen, und er wusste, dass sein Vater ebenfalls kein Auge zutat – deutlich konnte er hören, wie Noah sich auf seinem quietschenden hölzernen Wandbett hin- und herwarf. Am Morgen weckten ihn kreischende Vögel. Die anderen waren schon auf. Clem roch Toast, und das munterte ihn ein wenig auf.
    »Was gibt es zum Frühstück?«, fragte er seine Schwester, die sich am Kamin zu schaffen machte.
    »Gebratene Eier«, erwiderte sie knapp, und Clem schoss plötzlich im Bett hoch.
    »Mit wem redet Pa? Wer ist da draußen?«
    »Psst. Mit sich selbst.«
    »Wieso?«
    »Er ist böse.«
    Clem fand das eigenartig und hielt es für klug, sich nicht vom Fleck zu rühren, bis man ihn rufen würde. Noahs Zorn konnte furchtbare Ausmaße annehmen.
    Als sein Vater hereinkam, bebte er noch immer vor Zorn. Er aß rasch sein Frühstück, kippte den Tee hinterher und erhob sich.
    »Ich muss in die Stadt. Ihr seid hier sicher, aber lauft nicht in der Gegend herum. Ich komme so schnell wie möglich zurück.«
    Er nahm seinen Stadthut und stürmte zur Tür hinaus. Dann drehte er sich noch einmal um und schaute sie an. Sein zerfurchtes
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