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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre
Autoren: Sue Grafton
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ich Ihnen helfen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin fast fertig«, sagte ich. »Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich weitermache, aber ich würde gern fertig werden, bevor ich gehe.« Ich nahm das nächste Buch zur Hand und blätterte es durch, bevor ich es zu den anderen legte. Wenn Johnny eine Abneigung gegen Banken hatte, könnte er ja vielleicht Geld zwischen den Seiten versteckt haben.
    »Was gefunden?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich werde Bucky wohl sagen, daß er’s vergessen soll. Die einzige Information, die er braucht, ist, in welcher Kampfeinheit sein Großvater war. Ich bin Privatdetektivin. Das hier mache ich gratis, und es kommt mir ehrlich gesagt nicht besonders ergiebig vor. Wie gut kannten Sie Johnny?«
    »Recht gut, denke ich. Wir hörten voneinander... vielleicht ein- oder zweimal im Jahr. Ich wußte, daß er hier drüben Angehörige hatte, aber ich hatte sie bis jetzt nie kennengelernt.«
    Ich hatte einen Rhythmus entwickelt. Ein Buch am Rücken aufnehmen, die Seiten durchblättern, es ablegen. Buch am Rücken aufnehmen, durchblättern, ablegen. Ich zog das letzte Buch aus der Kiste. »Ich kann Ihren Akzent nicht richtig einordnen. Sie haben Kentucky erwähnt. Kommen Sie von dort?« Ich stand auf und bohrte mir die Fäuste ins Kreuz, um die Steifheit zu vertreiben. Ich bückte mich und begann, die Bücher wieder in die Schachtel zu legen.
    Ray hockte sich daneben und half mir. »Stimmt. Ich stamme ursprünglich aus Louisville, war aber seit Jahren nicht mehr dort. Ich habe in Ashland gewohnt, aber Johnny hat immer gesagt, wenn ich mal nach Kalifornien käme, solle ich ihn besuchen. Was soll’s. Ich hatte ein bißchen Zeit, also hab’ ich mich auf den Weg gemacht. Ich wußte die Adresse, und er hat mir erzählt, daß er in der Garagenwohnung hinter dem Haus wohnt, also bin ich zuerst hierher gekommen. Als niemand aufmachte, bin ich hinübergegangen und habe an Buckys Tür geklopft. Ich hatte keine Ahnung, daß Johnny gestorben war.«
    »Muß ein Schock gewesen sein.«
    »Allerdings. Mir war schrecklich zumute. Ich habe nicht mal vorher angerufen. Er hatte mir ein paar Monate zuvor einen kurzen Brief geschrieben, und ich wollte ihn überraschen. Jetzt bin ich wohl der Dumme. Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich mir die Reise sparen können. Nicht einmal, wenn man mit dem Auto fährt, ist es billig.«
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Etwas über eine Woche. Ich wollte eigentlich gar nicht bleiben, aber ich bin über zweitausend Meilen gefahren, um hierher zu kommen, und ich brachte es nicht übers Herz, kehrtzumachen und zurückzufahren. Ich hätte nicht gedacht, daß mir Kalifornien gefallen würde, aber es ist schön.« Ray hatte die eine Kiste fertig gepackt, steckte die Deckellaschen ineinander und stellte sie beiseite, während ich mich an die nächste machte.
    »Viele Leute finden es gewöhnungsbedürftig.«
    »Ich nicht. Ich hoffe, Bucky hält mich nicht für pietätlos, weil ich hier einziehen möchte. Ich schlage nicht gern einen Vorteil aus dem Unglück anderer Menschen, aber was soll’s«, meinte er. »Darf doch ruhig auch irgend etwas Gutes dabei herauskommen. Die Gegend macht einen netten Eindruck, und ich bin gern nahe am Strand. Ich glaube nicht, daß Johnny etwas dagegen hätte. Warten Sie, ich schaffe Ihnen die aus dem Weg.« Ray hob eine Kiste hoch, stellte sie auf eine andere und schob beide auf eine Seite.
    »Wo wohnen Sie jetzt?«
    »Ein paar Häuserblocks weiter. Im Lexington. Gleich beim Strand, und das Zimmer hat nicht einmal Meerblick. Ich habe festgestellt, daß man von hier oben ein kleines Stück Meer sehen kann, wenn man durch die Bäume da schaut.«
    Ich sah mich aufmerksam im Zimmer um, sah aber nichts weiter, was eine Untersuchung wert gewesen wäre. Johnny hatte nicht besonders viel besessen, und was er besaß, war nicht aufschlußreich. »Tja, ich glaube, ich gebe auf.« Ich klopfte meine Jeans aus und fühlte mich schmuddelig und verschwitzt. Ich ging in die Küche und wusch mir an der Spüle die Hände. Die Leitungen kreischten, und das Wasser war voller Rost. »Möchten Sie noch irgend etwas nachsehen, solange Sie hier sind? Den Wasserdruck oder die Installationen? Sie könnten noch wegen der Gardinen ausmessen, bevor ich hier zuschließe«, schlug ich vor.
    Er lächelte. »Ich warte lieber, bis ich eine Art Mietvertrag unterschrieben habe. Ich sehe meinen Einzug noch nicht als garantiert an, so wie Bucky sich verhält. Wenn Sie mich fragen,
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