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Leon, Der Slalomdribbler

Leon, Der Slalomdribbler

Titel: Leon, Der Slalomdribbler
Autoren: Joachim Masannek
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versuchte, seinen fetten Bauch zu bedecken. Doch im Vergleich zu Darth Vader trug der Dicke Michi keine Science-Fiction-Maske. Seine Visage war echt. Seine kleinen Schweinsäuglein saßen wie glühende Kohlen zwischen den Fettpolstern seines Gesichts und sein Atem rasselte wie der eines Pottwals, der einmal um die ganze Welt getaucht war.

    Der Dicke Michi war der coolste und stärkste Typ auf unserer Schule und in unserer Stadt und er hatte nie Angst. Dafür gab es einen einfachen Grund. Der Dicke Michi war niemals allein. Genauso wie jetzt. So wie die Scheiße die Fliegen anzog, zog er die anderen Mistkerle an, und die kamen jetzt von allen Seiten direkt auf uns zu.

    Der Dicke Michi stand wie ein Feldherr im Tor und rührte sich nicht. Er wartete seelenruhig, bis seine Kumpane Stellung bezogen. Grinsend standen sie um uns herum: Fettaugen-Franz, der noch dicker war, als der Dicke Michi, auch wenn man sich das nicht vorstellen kann. Karl, die Krake, dessen Arme, obwohl er der Größte von allen war, fast bis zum Boden reichten. Dampfwalzen-Joe, Mähdrescher-Mark und Simon, die Sense, der als Erkennungszeichen eine Fahrradkette um den Hals und auf der blanken Brust trug. Und dann stand da noch Kong, der monumentale Chinese.
    Der war angeblich so stark, dass er zwei Zentimeter dicke Stahlseile zerriss. Doch der Stärkste und Gemeinste von allen war der Dicke Michi und der kam jetzt direkt auf uns zu.
    Seine Füße stapften auf den schlammigen Rasen, dass das Wasser verdampfte. Der Boden erbebte und schwappte wie das Fett an seinem quallenartigen Körper. Doch darunter, das wussten wir nur zu gut, versteckten sich eiserne Muskeln und ein absolut schwarzes Herz. Deshalb wichen wir unverzüglich zurück. Das heißt, wir wollten zurückweichen, doch hinter uns standen Simon, die Sense, und Kong.
    Der Dicke Michi erreichte jetzt Felix, der immer noch auf dem Anstoßpunkt hockte und vor Aufregung nach Luft rang. Er ging an Felix vorbei und stieß ihn dabei in den Schlamm. All die Gerüchte, die sich um diesen Kerl rankten, schossen mir durch den Kopf. Ich sah die Bulldogge vor mir, mit ihren Lefzen und Reißzähnen, wie sie den Dicken Michi ansprang. Genau so, erzählten es alle, war es vor mehr als drei Jahren passiert. Eine Bulldogge, für die man eigentlich einen Waffenschein braucht, sprang den Dicken Michi aus vollem Lauf an. Doch der packte sie nur bei den Ohren, schleuderte sie durch die Luft und hielt danach nur noch die Ohren des Hundes in seiner Hand. Damals war der Dicke Michi erst zehn und gerade mit Hängen und Würgen in die dritte Klasse gekommen. Doch jetzt war er dreizehn Jahre alt und zweieinhalb Köpfe größer als ich.
    Ich schaute mich um, ob es irgendjemanden gab, der uns helfen konnte. In den alten Wild-West-Filmen im Fernsehen tauchte in Situationen wie dieser immer die siebte Kavallerie auf. Doch der einzige Mensch, der sich außer uns auf dem Bolzplatz befand, war Willi und der schraubte nur seelenruhig, als ob nichts Außergewöhnliches passierte, die Bretterverkleidung von seinem Kiosk.
    Eigentlich mochte ich Willi. Er war der beste Erwachsene auf der Welt. Er behandelte uns niemals wie Kinder und niemals redete er uns in etwas hinein. In seinen Augen waren wir schon richtige Männer, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen konnten. Doch anscheinend dachte er das in diesem Moment immer noch, und dafür verfluchte ich ihn.
    Ich fühlte mich nämlich gar nicht mehr so, als ob ich mein Schicksal selbst in die Hand nehmen wollte. Wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich so wie ich in Wirklichkeit war: wie ein Junge, der neun Jahre alt ist. Und das ist manchmal nicht gerade sehr viel, besonders wenn der Dicke Michi auf einen zugestapft kommt, wie eine Hauswand vor einem stehen bleibt und einen um zweieinhalb Köpfe überragt. Mein Blick wanderte von dem Darth Vader auf seinem fetten Bauch direkt in seine glühenden Augen.
    „Verflixt. Diese Falle ist dem fetten Mistkerl so richtig gelungen!”, fluchte Fabi direkt neben mir und ich fühlte mich schon tausendmal besser, als ich seine Schulter neben meiner spürte. Doch Fettaugen-Franz fand das überhaupt nicht klasse.
    „Hast du das gehört?”, plärrte er. „Michi, hast du gehört, wie er dich genannt hat?“
    „Halt’s Maul!”, befahl der Dicke Michi und schnipste mit seinen Fingern. „Krake!“
    Augenblicklich flog der Fußball aus Krakes Armen hinüber zu seinem Anführer. Der Dicke Michi fing ihn auf und donnerte ihn gegen Fabis Brust,
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