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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe
Autoren: Simon Beckett
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fragte ich.
    Es war, als würde eine Jalousie vor seinem Gesicht hinabfallen.
    «Bestens.» Er nahm die Hände aus den Taschen. «Sie haben mir noch nicht erzählt, was Sie sich dabei gedacht haben, hier auf
     eigene Faust hereinzuplatzen. Wissen Sie eigentlich, wie unverantwortlich das war?»
    «Wenn wir es nicht getan hätten, könnte Sam tot sein.»
    Das kühlte ihn ein wenig ab. «Diane glaubt, dass York bis zur letzten Minute warten wollte, bis zum Augenblick der Geburt.
     Er wollte die Gelegenheit anscheinend voll auskosten. Zwei Leben auf einmal.»
    Um Gottes willen
. Ich starrte auf die Berge und versuchte, die Bilder zu verscheuchen, die seine Worte heraufbeschworen hatten.
    |386| «Glauben Sie, dass sie es schafft?», fragte Gardner.
    «Das hoffe ich.» Vorausgesetzt, sie kam rechtzeitig ins Krankenhaus. Vorausgesetzt, es gab keine Komplikationen mit dem Baby.
     Man konnte wirklich nur hoffen, aber immerhin hatte sie jetzt eine gewisse Chance. «Wie haben Sie es geschafft, so schnell
     hier zu sein? Ich war mir nicht sicher, ob Sie meine Wegbeschreibung verstanden haben.»
    «Wir haben nichts verstanden. Auf jeden Fall nichts, was Sinn ergeben hätte», sagte er mit einem Hauch seiner alten Schärfe.
     «Aber das war auch nicht nötig. Nachdem York die Haut auf Ihre Windschutzscheibe gelegt hat, haben wir Ihren Wagen mit einem
     Spürhund versehen.»
    «Mit einem was?»
    «Ein GP S-Sender . Wir wussten, wo Sie Ihren Wagen stehengelassen hatten
,
aber der alte Weg, den Sie genommen haben, ist auf keiner Karte eingezeichnet. Deshalb haben wir den nächstbesten genommen,
     und der hat uns direkt zum Haupttor geführt.»
    «Sie haben einen Sender an meinem Wagen angebracht? Ohne mir etwas zu sagen?»
    «Sie mussten das nicht wissen.»
    Das erklärte, warum ich am Abend zuvor niemanden gesehen hatte, der mir gefolgt war, und weshalb die TB I-Agenten so schnell beim Haus von Paul und Sam gewesen waren. Dass es niemand für angebracht gehalten hatte, mich davon in Kenntnis
     zu setzen, ärgerte mich, aber unter diesen Umständen konnte ich mich kaum beschweren.
    Hauptsache, die beiden waren rechtzeitig gekommen.
    «Und woher wussten Sie, dass Sie die richtige Stelle gefunden hatten?», fragte ich.
    Er zuckte mit den Achseln. «Ich wusste es nicht. Aber da an dem alten Tor ein neues Schloss hing, war klar, dass hier |387| jemand keine ungebetenen Besucher haben will. Wir hatten einen Bolzenschneider im Kofferraum, mit dem ich das Schloss durchtrennt
     habe. Und dann habe ich mich einfach mal umgesehen.»
    Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Ohne Durchsuchungsbefehl auf ein Privatgrundstück einzudringen war eine Kardinalsünde, und
     Gardner war mir bisher immer wie ein pedantischer Bürokrat vorgekommen. Seine Miene verfinsterte sich.
    «Durch Ihren Anruf bestand meiner Meinung nach hinreichender Verdacht.» Er reckte sein Kinn. «Kommen Sie, gehen wir wieder
     rein.»
    Als wir zurück in den Korridor gingen, hüllte uns sofort der widerliche Verwesungsgeruch ein. Das Licht von draußen fiel nicht
     bis in den Bäderbereich, und nach dem hellen Sonnenschein wirkten die düsteren Zimmer noch bedrückender als zuvor. Obwohl
     ich wusste, was mich erwartete, erschütterte mich der Anblick der im Schwimmbad wie Müll abgeladenen Leichen nicht weniger
     als beim ersten Mal.
    Yorks Leiche lag genauso reglos wie seine Opfer noch dort, wo wir sie zurückgelassen hatten.
    «Mein Gott, wie hat er nur diesen Gestank ausgehalten?», meinte Gardner.
    Wir gingen in den kleinen Raum, in dem wir Sam gefunden hatten. Die durchtrennten Enden des Lederriemens, den Paul durchschnitten
     hatte, lagen wie tote Schlangen auf dem alten Massagetisch. Die am Kopfende angebrachte Winde war offensichtlich mit äußerster
     Raffinesse hergestellt worden. Die Enden des Riemens führten in ein kompliziertes, feinmechanisches System aus Zahnrädern,
     das mit einer polierten Holzkurbel bedient wurde. Wenn man sie drehte, wurde der Riemen angezogen, wobei die Zahnräder dafür |388| sorgten, dass er nicht zurückrutschte, wenn man die Kurbel losließ.
    Ein wesentlich simpleres Konstrukt wäre genauso wirkungsvoll gewesen, es hätte aber wahrscheinlich Yorks Ansprüchen nicht
     genügt. Ein Narzisst wie er hätte sich mit einem Seil und einem Stück Holz nicht zufriedengegeben.
    Das hier war sein Lebenswerk.
    «Unglaubliches Gerät», sagte Gardner beinahe bewundernd. Plötzlich verharrte er und neigte den Kopf. «Was ist das?»
    Ich lauschte, doch
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