Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine
Autoren: Nachtkrater
Vom Netzwerk:
Gematsche von Sauce Hollandaise, Kartoffeln, Schinken und Spargel.
    »Ihr wollt den Mond doch bloß ausbeuten, alle mitei n ander«, ratzte Viola.
    »Frogs und Borgs aller Sonnensysteme, vereinigt euch!«, rief ich mit geballter Faust im violetten Smoking.
    »Ja«, sinnierte Richard, »es lässt uns nicht kalt, wenn es um den Mond geht, das Auge der Nacht, den Weic h zeichner der Liebe, den Folterknecht unserer schlaflosen Nächte.«
    Schüssi schmachtete.
    »Dabei ist er nur ein totes Absprengsel der Erde«, lä chelte Richard verträumt. »Der Leichnam der Welt: l e bensfeindlich, unbewohnt und unbewohnbar. Dennoch werfen wir unsere Phantasien hinauf, sehen einen Mann, ein Gesicht, ein Kaninchen, Meere und Ozeane.«
    »Krass!«, lispelte Schüssi.
    Richard richtete seinen Blick aus seinen asymmetr i schen milchkaffeebraunen Augen auf die Schöne. »Und wisst ihr, wer den ersten echten Science-Fiction-Roman geschrieben hat, der ausschließlich von einer Reise zum Mond handelt?«
    Er durfte damit rechnen, dass Schüssi den Kopf schü t telte. Auf diese Weise ersparte er es den anwesenden Männern, ihre Unwissenheit zu offenbaren. Mit Jules Verne hätten sie und ich danebengelegen.
    »1595, Johannes Kepler«, sagte er. » Somnium heißt seine Schrift, auf Latein geschrieben. Kepler hatte als Student in Tübingen seinen Herren Professoren in einer Disputation vor Augen führen wollen, dass man auch auf dem Mond glauben würde, man befinde sich im Mitte l punkt der Planetenbewegungen, so wie man das auf der Erde glaubte. Aber den Tübinger Professoren war das viel zu nah am kopernikanischen Weltbild.«
    Schüssi sah nicht aus, als sei ihr das ein Begriff. Ich sah vielleicht so aus, aber mir war es auch kein Begriff.
    »Kopernikus hatte neunzig Jahre vorher die Sonne ins Zentrum der Planetenbewegungen gerückt«, erklärte R i chard. »Aber der Kirche fiel es saumäßig schwer, vom Glauben Abschied zu nehmen, dass der Schöpfer die Welt ins Zentrum gestellt haben müsse. Keplers Traum wurde zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht. Weil der Schwager über dem Druck verstarb, hatte dessen Sohn eine Heidenangst, dass es auch ihn dahinraffen würde. Erfolgreich war das Büchlein auch nie. Es beginnt wie ein Märchen. Der Erzähler schläft ein und träumt von Dura cotus , einem Jungen, der mit seiner Mutter, der Kräuterhexe Fiolxhilde, in Island lebt. Sie verkauft Krä u ter an Fischer und Seefahrer. Eines Tages öffnet Durac o tus einen Kräuterbeutel, der an einen Kapitän verkauft werden sollte, und verschüttet den Inhalt. Die Mutter ist so sauer, dass sie den Jungen anstelle der Kräuter an den Kapitän verkauft. So gelangt Duracotus nach Dänemark in die Lehre des Astronomen Tycho Brahe. Fünf Jahre später kehrt er heim. Fiolxhilde meint, es sei ja gut und schön, was der Bub alles von Tycho über den Mond g e lernt habe, aber sie kenne einen Dämonen, der könne ihn sogar zum Mond bringen.«
    »Cool!«, rief Schüssi.
    »Fast hundert Jahre bevor Newton sich fragte, warum der Apfel nach unten fällt, und die Gravitationsgesetze entwickelte, war Kepler klar, dass man die irdische Gr a vitation überwinden muss, und zwar mit einem Schuss wie aus einer Kanone, und dass das Fluggerät dann ohne Antrieb durch die Schwerelosigkeit fliegt. Er wusste, dass beim Start starke Kräfte auf den menschlichen Kö r per wirken. Keinen von sitzender Lebensart, keinen B e leibten, keinen Genussmenschen könne man das zum u ten, und der Reisende müsse vorher durch Opiate betäubt und seine Glieder sorgfältig verwahrt werden, damit sie ihm nicht vom Leibe gerissen würden.«
    Jockei gab einen anerkennenden Laut von sich.
    »Kepler wusste, dass der Monddurchmesser einem Viertel des Erddurchmessers entspricht, und selbstve r ständlich hatte er beobachtet, dass er uns immer dieselbe Seite zukehrt. Auch auf dem Mond geht demzufolge die Sonne auf und unter, aber ein Tag entspricht etwa einem irdischen Monat, auch das wusste Kepler. Er schloss da r aus, dass auf der Mondoberfläche extreme Temperatu r unterschiede herrschen müssen, unerträgliche Hitze, wohl fünfzehnmal so glühend wie die in unserem Afrika, und eisige Kälte. Eigentlich muss Kepler auch gewusst haben, dass der Mond keine Atmosphäre hat. Denn das konnte man schon in der Antike erkennen, wenn man beobachtete, wie ein Stern hinter dem Mond verschwand. Man sieht nämlich, dass er plötzlich verschwindet, ohne vorher in einer Luftschicht zu verschwimmen. In seinem Traum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher