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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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ich nicht überleben. Sie waren zu zweit. Sie keiften sich hinter mir an, während ich röchelte und trotz aller Anstrengungen kein Wort herausbrachte. Ohne me i ne Schulterprellung hätte ich es vielleicht geschafft, mich mit einem Ruck seitlich zu winden und zu befreien. Vie l leicht auch nicht. Katarina war in der besseren Pos i tion. Sie konnte das Knie in meinen Sesselrücken ste m men und mit ganzem Körpergewicht ziehen. Dem hatte ich nur meine Bauchmuskeln entgegenzusetzen. Um in den Lenker zu greifen und mich nach vorn zu ziehen, hätte ich loslassen müssen. Dann hätten meine Halsschla g adern offen gelegen für die schnell entscheidende Unte r brechung der Blutabfuhr aus dem Gehirn und Bewusstl o sigkeit.
    Mach dir jetzt bloß nicht in die Hosen! Alles, bloß das nicht.
    Ich hörte eine der beiden die Autotür öffnen und au s steigen. Ein kalter Luftzug weckte wilde Hoffnungen. Aber schreien ging nicht. Und um zu hupen, hätte ich loslassen müssen. Und dann hätten die Leute, die hier rund herum schliefen, auch nur gedacht: Welcher Depp hat wieder mal seine Alarmanlage zu scharf gestellt?
    Jovana öffnete meine Tür. Ich konnte sie nur im A u genwinkel sehen. Das bleiche Gesicht mit den g e schminkten Augen. Ich trat mit dem linken Bein nach ihr, traf aber nur die Tür. Sie schreckte zurück.
    »Mach schon!«, schrie Katarina hinter mir.
    Wieder erschien Jovana, aber mit Abstand und weit vorgestreckter Hand, darin ein schwarzes Sprühdöschen. »Jetzt!«, rief sie.
    Pfefferspray, dachte ich gerade noch und kniff die Augen zu. Ein scharfer Strahl traf mich, und gleich noch mal.
    »He!«, schrie Katarina hinter mir. »Pass doch auf.« Sie hustete.
    Mich rettete, dass ich ohnehin kaum Luft bekam. Aber mein Gesicht brannte wie mit heißem Frittieröl überg o s se n, die Augenlider schwollen. Ich probierte nicht, sie zu öffnen. Dafür spürte ich eine leichte Schwäche im Druck des Schals auf meinen Hals und meine Finger und warf mich nach vorn. Doch Katarina reagierte schnell und riss mich mit einem strafenden Zorn zurück, der mir Tode s panik ins Gedärm jagte.
    Das schaffst du nicht, diesmal nicht!, ratzte meine i n nere Stimme. Du bist da in etwas hineingeraten, was du nicht steuern kannst. Das sind keine Menschen so wie du oder Richard oder Detlef Depper. Das sind Mangas mit Witchblades, mit Hexenklingen. Sie sind auf der Höhe ihrer Intelligenz, aber sie haben keine Bedenken, keine Gefühle. Sie haben keine Angst vor den Folgen, vor Str a fe, vor moralischer Entwertung. Sie haben kein schlec h tes Gewissen, keine Hemmungen, sie haben keine Ku l tur. Sie tun es einfach, sie tun, was alle tun, sie töten. Und jetzt auch die Mädchen. Sie nehmen sich, was sie haben wo l len, weil es ihnen keiner gibt. Sie lassen sich nichts gefa l len, sie töten den, der stört. Es hilft ihnen ja sonst keiner.
    Und ich war ihnen in die Hände gefallen, diesen Mä d chen. Weil ich am Markusfriedhof falsch abgebogen war, weil ich das Falsche gesagt hatte.
    »Keine Angst, sie ahnen nichts!« Der Satz platzte ta g hell in meinem Hirn. Katarina hatte ihn Jovana gemailt. Wer ahnte auch so was? Der gute Richard niemals. Mit mauligem Gesicht zwischen Kopfhörern hatte sie hinter uns im Wagen gesessen, als wir zu meiner Mutter fuhren, und wahrscheinlich jedes Wort mitgehört, das wir spr a chen. Zwei Menschen hatte sie getötet – zusammen mit Jovana – und würde es jederzeit wieder tun. Tat es jetzt wieder.
    Ich hörte kaum noch, was die Mädchen sich gegense i tig zuschrien, um mir den Garaus zu machen. Ein Messer hätten sie haben müssen. Einen Stein sollte Jovana s u chen, drüben in der Anlage. Einen Knüppel. Und immer wieder plötzlich ein zorniger Ruck an meinem Hals. Hö r te das denn nie auf? Musste es so lange dauern? Ich kniff den Beckenboden zusammen. Nur nicht im Tode s kampf in die Hosen machen! Alles, nur das nicht. Wü r devoll sterben! Der Krampf setzte sich in meine Beine fort. Ich merkte, dass ich immer noch mit aller Kraft die Bremse trat. Denn ein Automatikwagen fuhr los, wenn man die Bremse lockerte. Auch der Motor lief noch. R i chards Limousine war nicht Brontë , die sich längst verschluckt und stillgelegt hä t te.
    Ich zwang meine Augen auf. Durch Schlieren sah ich den Stern auf der Kühlerhaube. Er zielte auf die Busha l testelle. Auch Jovana sah ich, wie sie wieder auf meine Tür zukam, bewaffnet mit einem Knüppel, den Hund und Herr nach dem Spiel im Gebüsch liegen gelassen haben mochten.
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