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lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich
Autoren: Dorothy Gilman
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Plötzlich fielen ihr tausend Dinge ein, die sie noch erledigen mußte.
Sie zog ihr marineblaues Strickkostüm an, setzte sich sofort wieder den blumengeschmückten Hut auf und packte bequeme Schuhe, Fettcreme und eine Reiseapotheke ein. Dann rief sie das Milchgeschäft, den Zeitungsmann und zuletzt Lorvale an.
»Ich muß für ein paar Tage verreisen, Lorvale«, erklärte sie. »Meine Schwiegertochter in Chicago braucht mich kurze Zeit. Tut mir aufrichtig leid, die Stunde am Donnerstag zu versäumen.«
»Mir auch«, sagte er vorwurfsvoll. »Da werden Sie ja gar nicht dazukommen. Ihr Omo-Tude zu üben, wie?«
»Nein, Lorvale«, antwortete sie tiefernst.
Als es an ihrer Tür klopfte, war Mrs. Pollifax schon wieder am Telefon. Beinah hätte sie den Tee des Kunstvereins am Sonntag vergessen. »Herein, es ist offen«, rief sie und nickte einem jungen Mann zu, der ihr Wohnzimmer betrat. Zweifellos war das der Beamte, den Mr. Carstairs ihr geschickt hatte.
»Mein Taxi ist schon da«, teilte sie der Vorsitzenden des Kunstvereins mit. »Wiedersehen, meine Liebe.«
»Sind Sie Mrs. Pollifax?« fragte der junge Mann, nachdem sie aufgehängt hatte.
»Ja, und Sie?«
»Leutnant Mullin. Der Wagen steht draußen. Ist das Ihr Koffer?«
»Oh, vielen Dank.« Mrs. Pollifax griff nach ihrer Handtasche, zögerte und warf einen Abschiedsblick auf ihre liebe, vertraute Wohnung. Zum erstenmal gestattete sie sich den Vergleich der Welt, die sie verließ, mit der Welt, in die sie sich nun wagte.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, erinnerte Mullin.
»Ja«, sagte Mrs. Pollifax, holte tief Atem, folgte ihm in den Flur und zog energisch die Tür hinter sich zu. Sie schob eine kurze Nachricht an Miß Hartshorne unter die Tür der Wohnung 4-C. Bei diesem abschließenden, unwiderruflichen Schritt fielen alle Zweifel von ihr ab, und der Übermut packte sie. Sie hatte sich wieder einmal auf ein kleines Abenteuer eingelassen.
Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich im Erdgeschoß. Mullin lief voraus, um Mrs. Pollifax die Haustür zu öffnen, und sie traten in den heißen Julinachmittag. Das Polizeiauto stand neben dem Parkverbotszeichen am Gehsteig, Hinter dem Lenkrad saß ein zweiter Mann. Mrs. Pollifax und Mullin hatten kaum Platz genommen, als der Fahrer heftig aufs Gaspedal trat. Eine Sirene heulte los. Mrs. Pollifax hielt ihren Hut fest, ganz staunendes Entzücken. Großartig, so dahinzubrausen, dachte sie. Es störte sie nicht mal, als sie plötzlich ihren Pastor erblickte, der sich nur mit einem raschen Sprung vor dem dahinbrausenden Wagen retten konnte. »C'est la vie!« rief sie vergnügt und winkte ihm zu. Bald lag die Stadt hinter ihnen. Sie fuhren in einen kleinen regionalen Flughafen ein. Der Polizeiwagen schoß über die Rollbahn und blieb mit quietschenden Bremsen vor einem Hubschrauber stehen, dessen Rotor sich bereits drehte. Mrs. Pollifax, die sich verzweifelt an ihren Hut klammerte, wurde in den Hubschrauber gehoben.
Kaum hatte sie ihre Hutnadel festgesteckt, da landete der Helikopter bereits auf einem bedeutend größeren Flugfeld. Hier herrschte reger Betrieb.
Man schien sie bereits zu erwarten. Ein Mann im zerknitterten, sandfarbenen Anzug sprang aus einem bereitstehenden Wagen und lief ihnen entgegen. »Mrs. Pollifax?« brüllte er ihr zu.
»Ja!« schrie sie zurück und fiel im Cockpit in seine Arme.
»Hier entlang«, sagte er und packte sie beim Ellbogen. »Das Flugzeug wartet auf Sie. Übrigens heiße ich Jamison.«
»Ja, aber wohin reise ich eigentlich?« keuchte sie.
»Später.« Hastig schob er sie in den Wagen, der sofort losbrauste.
»Und wo bin ich jetzt?«
»Kennedy-Flughafen«, sagte Jamison. »Die Maschine dort drüben wartet nur auf uns. Ihr Abflug hat sich bereits um fünf Minuten verzögert.«
»Abflug wohin?« fragte Mrs. Pollifax.
»Nach Washington. Carstairs will Sie persönlich instruieren, ehe Sie das Land verlassen.«
Sie mußte also ins Ausland. Wieder fühlte Mrs. Pollifax den Hauch des Unwiderruflichen. Aber ihre Bangigkeit verflog ebenso rasch, wie sie gekommen war. Der Wagen hielt an, der Schlag wurde aufgerissen, und Mrs. Pollifax wurde über die Treppe ins Flugzeug bugsiert. Ehe Mrs. Pollifax noch recht zu Atem gekommen war, landeten sie bereits wieder.
»Dulles-Flughafen«, erklärte Jamison sie auf. Sie eilten ins Gebäude und von dort weiter zum Parkplatz. »Da sind wir«, sagte er. Carstairs schälte sich groß und hager aus einer langen, schwarzen Limousine. Sein dichtes, kurz geschorenes Haar
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